Hi, gestern stellte ich euch das Lesebuch „Die kleine Wirthschafterin“ von 1821 vor; heute starte ich mit der Wiedergabe Pfarrer Ziehnerts Lektüre, die er für junge Mädchen auf den Büchermarkt brachte und ihnen beizubringen beabsichtigte, sich frühzeitig auf ihre gottgewollte Zukunft als willige, fleißige Hausfrau vorzubereiten, dem Gesinde und Haushalt kundig und selbstbewusst vorzustehen und in dieser Funktion alles zu unternehmen, um dem Hausherren stets gut gelaunt in traditionell untertänigem Verhalten mit aller Kraft und Energie zur Seite zu stehen, um es ihm in seinem Heim gemütlich und behaglich zu machen.
Ich fange heute zuerst einmal mit dem Inhaltsverzeichnis an, um Euch auf das Kommende einzustellen und veröffentliche zudem die Einleitung, die Herr Ziehnert den Mädels seinem Lesebuch vorangestellt hat und in welcher der Gute der Zielgruppe seine Absichten wohlmeinend kund tat, sich väterlich als allseits guter Freund und sprudelnder Quell unbedingt notwendiger Ratschläge für ein gottgefälliges Leben zu empfehlen, wobei er sich erhoffte, dass die jungen Gören ihn für immer als ihren guten Geist lebenslang in Erinnerung behalten würden.
Der brave, Pfarrer Ziehnert, der es mit den Mädchen 100% gut gemeint haben wird, führte seine Erzählung als ein an seine Tochter gerichtetes, persönliches Lehrbuch:
Liebe Mädchen!
Dieses Büchlein soll Euch eine freundliche Einleitung in die weibliche Hauswirthschaft seyn, und Euch die Grundzüge und Hauptregeln, nach denen diese geführt werden muß, bekannt machen.
Ihr werdet lächeln und fragen: wie Euch ein Mann dergleichen Dinge lehren könne? Habt Recht, Ihr Freundlichen, zu dieser Frage. Ich habe nie Stuben gefegt, nie gekocht, gebacken, gewaschen, gescheuert, geplattet, gestickt u.s.w.; habe aber über alle diese weiblichen Geschäfte die Meinungen meiner Hausmutter vernommen, und so manche Beobachtung an meinen eignen Töchtern gemacht, und diese hab‘ ich Euch in einem kleinen Kränzchen freundlicher Bilder mittheilen wollen.
Daß dieß Büchlein etwas beitragen könne, Euern angebornen Sinn fürs Wirtschaftliche anzuregen, zu nähren und nach dem Vollkommnern begierig zu machen, und Euch also wirklich angenehm seyn müsse, darf ich daraus schließen, weil sich die erste Ausgabe in wenig Jahren vergriffen hat, und sich also dieß Büchlein bereits in den Händen vieler hundert Mädchen befinden müsse.
Werdet nun auch Ihr, wie die frühern Leserinnen, es mit Liebe und Gutmüthigkeit aufnehmen, daraus fleißig lernen und Euern guten Müttern Freude machen, so würde das für meine Mühe ein sehr großer Lohn seyn, und ich mich ferner zuversichtlich nennen dürfen:
Euern wahren und darum gern gesehenen Freund,
der Verfasser.
I n h a l t.
Einleitung:
Häuslichkeit, Wirthschaftlichkeit, ihre Anordnung, Ausführung.
1. Bild, die Wohnstube:
Auskehren, Abwischen, Scheuern, Vorhänge aufstecken, Tisch decken.
2. Bild, die Schlafstube:
Bettenmachen, Reinigen, Sömmern, Klopfen, Werth und Anschaffung der Betten und Federn, Nachtlämpchen, Wärmflaschen.
3. Bild, die Küche:
Lage und Zustand, hölzerne Küchengeräthe, Brennholz, Topf – und Zinngefäße, Kochen, Zuputzen, Ordnung, Pünktlichkeit und Reinlichkeit, Aufwaschen, Asche, Hof und Düngergrube.
4. Bild, die Speisekammer:
Ausgeberin, Verwaltung der Vorräthe, Speisen, Einkauf, Aufbewahrung, Milch, Butter, Käse, Eier, Mehl, Gemüse.
5. Bild, Gartengewächse:
Radieschen, Sallat, Spargel, Kohlrabi, Erbsen, Bohnen, Gurken, Kartoffeln, Blumen- und Wälschkohl, Melone und Zwiebel, Rüben und Rettige, Kürbis, Kohlrübe und Braunkohl, Sellerie, Möhre, Kraut und Meerrettig; Einlegen des Sauerkrautes, der Gurken, Bohnen, rothen Rüben und Möhren; Wirkungen der Speisen.
6. Bild, das Obst:
Erdbeere und Kirsche, Himbeere, Heidelbeere, Aprikose, Johannisbeere, Stachelbeere, Birnen und Aepfel, Haselnüsse, Pflaumen, Pfirsiche, Mispel und Kastanie, Weinbeere, Pommesine, Pomeranze; Abtrocknen, Einlegen etc.
7. Bild, das Backwerk:
Brod; Weißbäckerei; Dreierbrode, Semmel und Zwieback, Einback, Brezeln, Kuchen, Striezel, Pfannkuchen, Blinzen, Martinshörner; Zuckerbäckerei, Bäbe, Torte, Stangenkuchen, Törtchen, Makronen, Pfefferkuchen, Pfeffernüßchen und Schokolade.
8. Bild, der Keller:
Bier, Flaschen, Anstecken, Braun – und Weißbier, Abziehen, Weine, Branntwein, Essig, Baumöhl, Thee, Limonade, Mandelmilch, Kaffee, Punsch, Arak und Rum.
9. Bild, das Waschhaus:
Kessel, Kannen etc., Laugekorb, Körbe, Kannen, Leinen, Klammern, Wasser, Ausbessern der Wäsche, Waschtabelle, Seife, Aufbrennen, Bleiche, Spülen, Trocknen, Stärken.
10. Bild, die Mandelkammer:
Mandel- und Plattwäsche, Wäschelegen, Rollen, Auftreiben, Reinlichkeit, bei Lichte.
11. Bild, die Arbeitsstube:
Wäschschrank, Plattwäsche, Sprengwedel, Platten, Stricken, Nähen, Spinnen, Zwirnen, Zeichnen und Sticken, Putzmachen.
12. Bild, ( Titelkupfer,) die Gaststube:
Geräthe, Reinigen, Uhr, Pianoforte, Instrumente etc., Hausapotheke, Besuch, Kaffee.
E i n l e i t u n g
Es wird nun Zeit, liebe Tochter, daß du anfängst, dich um das Hauswesen zu kümmern, — sprach die Frau Pastorin eines Morgens zu ihrer freundlichen Lyna, — denn Häuslichkeit ist des Mädchens bester Schatz für die Folgezeit ihres Lebens. Ohne diese wird sie als Jungfrau nicht geliebt und als Weib nicht geachtet.
Lyna, die jeden Ausspruch ihrer Mutter für wahr erkannte, versprach aufmerksam zu seyn und zu folgen. Dabei zeigte sich aber in ihren Mienen eine Verlegenheit, die vermuthen ließ, daß sie eigentlich noch nicht recht wisse, was unter Häuslichkeit zu verstehen sey. Dieß bemerkte leicht die scharfsichtige Mutter und bemühte sich, ihrer Tochter vor allen andern Dingen eine richtige Vorstellung von dem, was sie nun lernen sollte, beizubringen.
Die Hauptgeschäfte des weiblichen Geschlechts, sprach sie zu Lyna, sind innerhalb des Hauses, daher bezeichnet man sie sehr treffend mit dem Namen Häuslichkeit. Diese umfaßt nun aber mehrere, unter einander ganz verschiedene Geschäfte, als Wirthschaftlichkeit, Kinderzucht, Dienstbotenbehandlung und mehrere, dir jetzt noch fremdartige Gegenstände.
Das Erste, was Mädchen deines Alters von 12 Jahren lernen sollen, ist Wirthschaftlichkeit, denn von ihr hängt fast alles Gedeihen und alle Freuden des Hauses ab. Willst du nun, geliebte Tochter, ein wirthschaftliches, und dadurch ein geachtetes Mädchen werden, so mußt du Ordnung, Reinlichkeit, Sparsamkeit und Billigkeit üben, und dadurch für dich und Andre Gesundheit, Frohsinn und Freude schaffen und befördern.
Bei Erlernung und Uebung dieser weiblichen Tugenden kommt es auf eine gute Anordnung und Ausführung an. Du hast schon oft gesehn, wie ich dieß und jenes anordnete und unsre Marie es ausübte, folglich müssen alle Mädchen, reiche und arme, vornehme und geringe, Wirthschaftlichkeit lernen.
Die Vornehmen, um dereinst etwas verständig anordnen zu können, damit sie nicht von klugen Dienstboten ausgelacht werden, oder diesen unnöthige Arbeit machen, und dadurch das Hauswesen mehr stören, als befördern.
Die Aermern müssen sie lernen, damit sie die Befehle ihrer Herrschaften leicht verstehen und pünktlich ausüben lernen, wodurch sie sich Lob, guten Lohn und auch nicht selten frohe Tage erwerben.
Um Wirthschaftlichkeit zu lernen, sollst du nun eben nicht Stuben und Treppen scheuern, Holz spalten, Wasser und schwere Körbe tragen, Tag und Nacht am Waschfasse stehn, Mandel drehen u.s.w., aber versuchen und verstehen mußt du das Alles, damit du dann deine Leute gehörig anstellen und ihre Arbeiten verständig und billig beurtheilen kannst.
Die Wirthschaftlichkeit, liebe Tochter, fuhr die Mutter belehrend fort, ist aber verschieden nach den Vermögensumständen, der Lage und dem Umfange der Wohnung, der Zahl der Mitglieder einer Familie, nach der Zeit und den herrschenden Sitten. Was bei den Reichen schon Sparsamkeit ist, das würde bei Armen Verschwendung seyn. Was in einer Familie, die nur eine Stube und Kammer bewohnt, Ordnung wäre, würde in unsern vier Zimmern und Kammern die größte Unordnung seyn. Was der Arme öfters rein nennt, würde dem Reichen schmuzig scheinen, und wenn es die niedern Stände den höhern nachahmen wollten, würden sie es übertreiben und sich mehr schaden als nützen.
Die Wirthschaftlichkeit ist ferner verschieden in der Wohnstube, in dem Schlafgemache, in der Küche, in dem Speisegewölbe und Keller, in dem Waschhause und Holzraume, auf dem Hofe und in der Arbeitsstube, wie in dem Putzzimmer. Ueberall werde ich dich, meine gute Lyna, hinführen und belehren, und du wirst mir folgen und ein geachtetes glückliches Mädchen werden.
In Kürze in diesem Blog „Die Wohnstube“.
29.01.2021 – Börke & Gitti
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