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“Der falsche Woldemar” von Willibald Alexis – 1842 – Kapitel 1

by Concierge

Der falsche Woldemar

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Die alten Zeiten.

Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts sah es traurig aus zwischen Elbe und Oder. Der Herr, der Himmel und Erde geschaffen, hat den Sonnenschein verschieden aufgeteilt über die Länder; aber dorthin, wo die deutsche Zunge ausgeht und die slavische anfängt, fiel die Spende seines Sonnenlichtes kärglich aus. Es hatte nicht Macht, die Sümpfe auszutrocknen, die das Meer zurückließ, noch zu durchglühen die dichten, starren Wälder, noch zu wärmen den Boden, daß er die Geschlechter der Menschen freiwillig ernähre, welche der Strom der Völker dahin verschlug. Diesen Geschlechtern selbst hat der Herr die Aufgabe gestellt, daß sie mit der Natur ringen. Sie sollen den Boden im Kampf mit den Stürmen und Gewässern selber sich machen, der warmen Sonne einen Teppich ausbreiten, darauf sie mit Lust weilen, und ein Land sich schaffen, das ihnen lieb wäre und den anderen ein froher Anblick.

Das war eine harte Aufgabe, und, wie viele Jahrhunderte darüber verstrichen, sie ist selbst heute noch nicht zu Ende. Noch immer müssen sie fortarbeiten im Schweiß ihres Angesichts, daß sie den Sand bändigen und festigen, den der Wind unter der Pflugschar fortweht; und es ist nicht mit der Arbeit gethan, die der Arm verrichtet und lenkt; denn dadurch wird die träge Natur nicht zum Leben bewältigt, noch die Sonne gezwungen, daß sie Heller scheine auf das errungene Land. Die säure Arbeit ruft den Geist um Beistand aus, daß er erfinderisch neue Mittel schaffe, und ein ander Licht leuchten lasse, wo die Sonne nicht dringt durch die nordischen Nebel.

Und wie oft ward diese Arbeit unterbrochen; und gerade dann, wo es den Anschein hatte, als sei die Ernte endlich vor der Tür! Und so schreckhaft und fürchterlich unterbrochen, daß die Furchtsamen verzweifelten und die Kleinmütigen wähnten, es laste Gottes Zorn auf dem Lande; darum sei es vergebens, seiner Hand zu widerstreben. Aber diese Geschicke waren nicht die Geißelschläge seines Zornes; es waren die Prüfungen und Feuer- proben für ein Geschlecht, das da lernen sollte, nie zu verzagen, und wie es mit der Armut des Bodens und den Elementen gerungen um ein besser Dasein, also solle es auch kämpfen mit den Mißgeschicken und sich stählen zur Selbständigkeit unter den Schlägen, die den Schwächeren allemal am härtesten treffen, wo starke Mächte miteinander streiten.

Von den Unglückszeiten zu schweigen, die wir oder unsere Väter noch miterlebt: es hat auch in der Vorzeit wohl kein Land und Volk so viele und schwere Prüfungen überstanden als das unsere. Das geht weit hinauf, und es hält schwer, daß wir diese bösen Zeiten vergleichen und entscheiden, welche die schlimmste war? Denn wer leidet, meint, ihm ginge es zum schlimmsten: und er vergißt im eigenen Schmerz den Schmerz, den andere leiden und vor ihm gelitten. Ja, unser Gedächtnis ist dann so kurz, daß uns das ehedem Erduldete gering vorkommt gegen das Übel, unter dem wir im Augenblick seufzen. So vergaßen wir, als der Druck der Franzosen auf uns lastete, des Druckes, den die Großväter und Urgroßväter im siebenjährigen Kriege ertragen. Und so hatten die dazumal auch vergessen, um wie viel schlimmer der dreißigjährige war.

Ja, dieser Krieg war gräßlich, und wir vermeinen noch bisweilen den Leichengeruch und den Branddunst zu riechen. Und noch furchtbarer und jammernswerter wird er, so wir uns ins Gedächtnis rufen, welche Saaten da zertreten, welche Fruchtgärten und Wälder zerstört wurden, und wie der Fleiß von zwei Jahrhunderten und länger, die Früchte der Hohenzollernherrschaft, schien’s, als wär’s die Arbeit von zwei Tagen gewesen: die ver- nichtet man in einer Stunde. Aber drei Jahrhunderte vor dem dreißigjährigen Kriege sah es in den Landen zwischen Oder und Elbe kaum minder wüst und traurig aus. Da lagen die Leichen auch unbegraben ans den Landstraßen und der Aasgeruch lockte die Raben aus den Lüften, die Wölfe aus den Heiden. Nachts sahst du den Himmel gerötet von den Feuersbrünsten, und die Lüfte zitterten vom Wehgeschrei der Beraubten, der in Knechtschaft Fortgeschleppten. Und hin war mit dem Frieden die Sicherheit. Der Nachbar schloß sich vom Nachbar ab; die Gerechtigkeit war flüchtig, und die Zwietracht wucherte unter den Edlen und Gemeinen. Es hatte niemand das Regiment Und niemand den Gehorsam: nur zwei herrschten allein in der Mark Brandenburg, das war die Furcht und die Gewalt. Dem armen Lande fehlte alles; ein Fürst und eine Herrschaft, Ordnung und Gesetz; und, was schlimmer, auch der Gemeinsinn war erstorben, welcher die Völker aufrechterhält, wenn die Zeiten über sie fortstürmen und sie zu verschlingen drohen. Ihnen fehlte auch die Hoffnung. Da, wer so im Strudel ist, hält sich auch an den Schatten eines Strohhalms.

Das waren die Zeiten der Bayernherrschaft über die Marken. Vom Jahre 1320 bis um die Mitte des Jahrhunderts, und von denen wollen wir reden. Mit dem glorreichen Woldemar war das Ballenstädtsche Geschlecht der Grafen von Anhalt, wir nennen sie die Askanier, ausgestorben. Hundert Arme griffen nach der Erbschaft, bis die schwache Hand eines Knaben sie davontrug. Der Bayer Ludwig, den sein Vater, der Kaiser, mit der Herrschaft der Askanier belehnte; aber sie war nur noch ein Schatten, und, was er gewann, ein gefährlich Spielzeug in der Hand eines Kindes. Die Hand war zu schwach. Uni ihn her hielt ein jeder Mächtige sich mehr im Rechte; er riß an sich, was seine Faust greifen und der leichtfertige Knabe nicht festhalten mochte, und so zersplitterte ein mächtiges, blühendes Reich.

So oft riß der Sturm das Auferbaute nieder; so oft mußte von neuem angefangen werden, in unserem Vaterlande die Herrschaft deutscher Gesittung und Ordnung zu gründen; und so lange dauerte die Wüstenei dazwischen, daß wir die frohen Zustände vergaßen. Wir wissen es alle nicht, was die Mark unter den Askaniern war; aber die Rudera, die sie zurückließen, sind ein Maßstab, nach dem wir ihre Größe und das Glück des Landes hoch anschlagen müssen. In dem slavischen Lande, wo sie zwischen Moor und Seen, in den Brüchen und dem Sande nur wendische Blockhäuser und Lehmhütten gefunden, bauten sie reiche und schöne Klöster, Dome mit gewaltigen Türmen von Granitquadern und gebranntem Mauerstein; Kunstwerke, so erhaben, schön und gediegen, wir schauen sie mit Neid und Betrübnis an. Noch heute trotzen sie der Witterung, kaum ihre Spuren verratend. Da erwuchsen mächtige Städte, mit deutschen Freiheiten und deutschem Gewerbefleiß, deren Handel weit über das Land bis über die Meere ging. Die Flüsse starrten von Wimpeln reichbeladener Kähne, die Straßen von Wagen und Karren mit Kaufmannsgütern. Die Wälder wurden gelichtet, die Moorbrüche getrocknet, und die Kolonisten aus Friesland, Flandern, Holland und vom Rheine, die sie ins Land gezogen, verwandelten die Sandheiden in Gärten. Die nackten Höhenzüge schuf der Fleiß um in liebliche Weinberge, und ihrer gab es so viele in den Marken, daß ihr Name, der allein von ihnen blieb, heute als ein neckender Spott klingt. Und mit ihrer Tätigkeit wuchs der Askanier Macht. Nördlich erstreckte sich ihr Reich über Pomerellen bis Danzig und an die Ufer der Ostsee, südlich umfaßte es die Lausitz und war ein gefürchteter und geachteter Nachbar dem Böhmenreiche. Auch über die Elbe hin reichte ihr Besitztum, gen Mitternacht die Altmark umfassend, gen Mittag manche reiche Grafschaft in den sächsischen Gauen. Und wie sie auf ihr Recht festhielten im Lande und mit starker Hand einträchtig untereinander sich wehrten in Freuden gegen männiglich ihres Gutes, so galt ihre Stimme und tönte klangvoll durch die deutschen Lande. Die Askanier hielten an dem Hause der Hohenstaufen; sie kümmerten nicht die Blitze, welche Rom gegen sie schleuderte. Bis zum Ausgange des Heldengeschlechts hielten sie unwandelbar in deutscher Treue an ihm, und auf den Trümmern des Welfenreiches, das sie mit gestürzt, erhob sich ihre Macht. Da war die Mark Brandenburg das mächtigste Land im Deutschen Reiche, seine Grenzburg und sein Schild nach Mitternacht und Morgen. In allen schwierigen Fällen schaute man auf seine Fürsten, und die Wagschale sank, in die ihre Markgrafen ihr adelig Wort taten. Die Nachbarlande fügten sich, gezwungen oder freiwillig, ihrer Kraft. Die Mecklenburger scheuten sich, und die Pommern wagten es nicht, das Lehnsband abzustreifen, das Brandenburgs Fürsten in guter Zeit um ihren Nacken geschlungen. Und wie sie herrlich waren, an Tapferkeit, Mut und Weisheit die ersten und edelsten unter den germanischen Edeln und Fürsten, so überhoben sie sich dessen doch nicht in Stolz und Eitelkeit. Nicht Stahl und Waffen allein, noch Mauern und Burgen waren ihr Stolz, vielmehr blühten schon Wissenschaft und Kunst an ihren glänzenden Höfen; und die im Turnier und in der Schlacht Kränze und Preis errungen, dünkte das höherer Ruhm, im Wettstreit süßer Minnelieder um den Preis edler Sangeskunst zu werben!

Als wie ein Blumenfeld, das zu früh aufschießt im Jahr, und der Winter kommt wieder, und Schnee und Frost begraben die bunte Pracht, so ging das herrliche Fürstenhaus unter. Schnell kam die Nacht nach einem Hellen Tage. So reich es war an ritterlichen Prinzen, an weisen Männern, an wohlwollenden, klugen Herrschern, an glücklichen Feldherren, an edlen Frauen und an schönen Fräulein, an Lust, Liebe, Gesang und Ruhm, um so reichere Ernte hatte der Tod. Da waren so viele Prinzen des Hauses Anhalt zu Ausgang des dreizehnten Jahrhunderts, daß sie auf einem Familientage sorgten, was denn daraus werden solle, wenn es so fortginge! Und nachdem nur neunzehnmal die Frühjahrssonne des neuen Jahrhunderts das Eis der Havel und Spree geschmolzen, waren die Grüfte voll, und das Haus leer und stand aus zwei Augen; und als die Herbststürme kamen, waren auch die geschlossen, und mit dem blühenden Geschlechte begrub der Tod die Arbeit zweier Jahrhunderte! Mit dem Wappen der Askanier, das die Geschichte über ihrer Gruft zerschlug, war es, als sei der Zauber gelöst, der die Stücke zusammenhielt zu einem Ganzen; in den Sand fuhr wieder der Sturmwind, in flüchtigen Wolken bedeckte er die Saaten und Gärten, er zerstörte die Straßen und Gehege, die Dämme und Flüsse, und aus dem kaum gebändigten Sumpfe mußte die Pflugschar fort; das Grundwasser quellte auf, und die alte Wildnis herrschte wieder um die junge Sitte. Als sei alle ihre Arbeit vergebens gewesen, und ihr Dasein ein schönes Märchen.

Da konnte weinen der Genius des Menschengeschlechts an den Grüften der Abteien Lehnin und dort unter den prächtigen Kreuzgewölben Chorins. Klagen mochte er: So hat ein herrliches und gutes Geschlecht umsonst gelebt und gestrebt. So viele Tugend und Kraft war nur Spreu im Winde; so hohe adlige Sitte leuchtete vergebens in die Nacht der Barbarei. Verloren ist die Frucht und der Garten dazu. — Aber der ewige Geist, der über den Völkern waltet, ihm sind sie, so vielstimmig ihre Sprache auch klingt, nur ein großer Lebensstamm; und er setzt ihn nicht auf die Welt, daß er verdorren und ausgehen solle, vielmehr, daß er fortwachse unter allen Jahrhunderten, zum Guten und Bessern. Der ewige Geist könnte antworten: Sie haben nicht umsonst gelebt und nicht umsonst gearbeitet. Denn wo der Boden gut ist und die Arbeit leicht, wächst nicht das Geschlecht auf, das den Stürmen widersteht und Zucht und Sitte in sich stark werden läßt, daß es durch sie herrsche über die Schwankenden und die Schwachen, die Zuchtlosen und die Verweichlichten. In diesen Landen wollte ich ein starkes Geschlecht, das trotzen sollte den Stürmen. Und warf es einer nieder, sollte es nicht verzweifeln, vielmehr Kraft haben, sich wieder zu erheben. Ein solch Geschlecht wird erzogen, nicht in der Fülle, sondern in der Armut. Nicht in Glück und Sieg, der vom Vater auf den Sohn erbt, sondern in Niederlagen, in allerlei Anfechtungen und in Mißgeschick. So stählt sein Mut sich, da lernt es, nicht verzagen, sondern die Arme brauchen und den Sinn anstrengen. Es muß suchen in dem Reiche des Geistes nach Mitteln, die ihm die Natur vorenthält. Deshalb sind ihm die Störungen, welche die Saaten vernichteten und seine Gebäude niederwarfen, nicht ein Fluch, sondern ein Segen; und deshalb ist es gut, daß es so oft wieder anfangen muß mit neuem Mute und neuer Erfahrung, damit es nicht veralte und grau werde in den Satzungen und Gewohnheiten, sondern länger frisch bleibe und jung in dem großen Völkerleben, wo nur die untergehen und aussterben, die vermeinen, sie seien fertig und vollkommen.

Und so hat es sich bewährt durch siebenhundert Jahre bis heute. Die Mark Brandenburg ist groß geworden, nicht durch Metallschätze, die unter der Sandscholle aufleuchteten, nicht durch hundertfältige Frucht goldener Ähren, nicht durch den Handel, der die Schätze der Weltteile an ihre Küsten verschlug und durch ihre Flüsse führte; sie ward groß durch die Ausdauer im Unglück. Daß ihr Volk, geschlagen und getreten, ins Elend getrieben und halb vernichtet, sich immer wieder sammelte und in alter Kraft auftrat. und den Glauben nicht verlor an seinen Gott und dessen Ruf. Da weckte denn die Not, wenn sie am ärgsten war, die rechten Helfer. Da wuchsen Helden auf in Stahl und Eisen; aber mehr noch Helden darin, daß sie Heller als ihre Zeit erkannten, was ihr not tat. Mit scharfem Messer schnitten sie in die Wunden und warfen das böse Fleisch aus, taub gegen das Geschrei derer, die riefen, es sei doch ihr Fleisch. Ihr mächtiger Ruf drang zu den Herzen, ihre Stimme sammelte die Besten um sich; und es waren der Guten und Unverzagten dann immer noch mehr als der Schlechten und Kleingläubigen. So mit Verstand und Einsicht stattete der Herr diese Retter ihres Volkes aus, daß ihr Blick weiter sah als ihr Arm reichte, und der Geist war mit ihnen. Sie fanden Mittel da, wo man glaubte, alles sei erschöpft und ausgebeutet. — Solche Männer standen dem Lande und dem Volke zu allen Zeiten auf, wo die Leute meinten, es sei alles aus. Solche Helfer, Ärzte und Retter waren der große Kurfürst Friedrich Wilhelm; er fand eine dreißigjährige Wüste, ein Volk, ermattet vor Hunger und aufgefressen von Schmerz, Pestbeulen und Verzweiflung; und hinterließ einen jungen Staat voll reger Lebenskeime, ein Volk, in dem Ordnung, Sitte, Glaube und Hoffnung wieder blühten. Ein solcher Held war Friedrich; oft groß, aber einzig in der unerschütterlichen Kraft, das Unglück zu bändigen. Collin, Hochkirch und Torgau sind die leuchtenden Sterne seines Ruhmes, weil er da alles verloren, nur nicht den Mut, der alles wieder gewinnt. Solche Ärzte und Retter traten auf, als Preußen, von der Fremdherrschaft erdrückt, im Todeskampfe um sein Dasein rang; und unter den vielen, die das wunde Fleisch ausschnitten, um das gesunde zu retten, werden der Nachwelt die Namen Stein und Hardenberg am lautesten tönen, denn sie wußten, was ihrer Zeit not tat, und zagten nicht vor dem Phantom des Riesen und vor dem Geschrei der kleinen Großen. Solch ein blitzender Moment der preußischen Unverzagtheit knüpft sich noch an die Schlacht von Waterloo. Alles verloren und alles gewonnen durch den Mut, der aus der Niederlage wie ein Phönix aufstand. Aber diese Beispiele sind nicht nur aus letzter Zeit, auch in der alten Zeit kommen sie vor, und solche Arzte und Helfer erhoben sich in dem Lande Brandenburg wie in dem Staate Preußen. Nicht aller Bilder sind in Erz und Stein geprägt; nicht aller Name klingt im Liede wieder; darum ist es aber nicht minder Pflicht, was an uns, dieser Führer und Herzöge in Ehre und Liebe zu gedenken, denen wir es verdanken, daß wir ein deutsches Volk blieben und ein Deutsches Reich wurden.

Es sah traurig aus zwischen Elbe und Oder um die Milte des vierzehnten Jahrhunderts. Wäre da ein hoher Berg, von dessen Spitze man das Land überschaute, man Hütte viel Elend auf einmal gesehen. Man sah aber genug schon, wenn man auf der Heerstraße ging. Davon abzuweichen, war nicht gut getan. In den Büschen und hinter den Hügeln wußtest du nicht, wem du begegnetest. Waren’s auch keine Räuberbanden, die dort lagerten, so trafst du doch auf jedem Schritte Arme und Bettler. Vorgestern, gestern vielleicht noch warm und gut gekleidet wie du, und es war über Nacht gekommen, und sie wanderten heute in Lumpen, sie wußten nicht wohin. Wo ein Haus noch fest war, ein Schloß mit roten Dächern in den Himmel ragte, schauten die drinnen sich lange fürsichtig um und fragten ihn aus, ehe sie dem Manne das Tor öffneten, der wohlgekleidet kam. Der Bettler konnte lange warten. Waren sie mildtätig, warfen sie ihm wohl ein Stück Brot aus dem Fenster; aber so er zu lange zauderte, hörte er den Hund im Hofe knurren und die Wärter ließen seine Ketten los. Der Bettler mußte den Bettler suchen, der Landstreicher den Landstreicher; die Gesellschaft findet sich allerwärts. Ja, wer so weit war, dein fehlte es auch nicht. Brauchten nicht immer in den Wäldern zu liegen noch in den Gräben Schutz vorm Winde zu suchen. Da standen der Häuser genug wüst und ganze Dörfer mit öden Mauern und hohem Brandschutt. Dahinter war Raums die Fülle für die Heimatlosen. Die Kirchtürme ohne Dach und Glocken lugten ins Land wie große Wegweiser, wo man das Elend suchen könne.

Freilich so war’s nicht überall. Das Land ist groß; und Pest, Krieg und Unglück gehen ihres Weges, den der Finger des Himmels ihnen wies, gleich wie der Regen und die Bäche ihren Weg finden; keinen Schritt seitwärts als das Gesetz ist ihres Falles. Dies Gesetz haben wir ausgesunden, die Weisen nennen’s die Schwere. Aber nach welchen Gesetzen das Unglück über die Menschen und Länder kommt, und wo es hinströmt, und wo es staut und zurückfließt, das hat noch keiner aufgefunden. Aber das wissen wir auch, und es ist unser Trost; es folgt seinen Straßen, langsam zuweilen, zuweilen Flammen, in die der Sturmwind bläst: doch dicht daneben grünen und blühen die Saaten und die Sonne scheint auf frohe Gesichter. Kein Unglück um strickt mehr die ganze Welt wie ein großes Netz seit jener Sündflut, wo der Regenbogen erschien, den Frieden zu verkünden, den Gott mit der Erde geschlossen.

Wir wissen‘s nicht mehr, auf welchen Straßen in den Marken es so aussah, aber die Straßen waren breit, wo das Unglück gezogen. Als wie man auf einem Saatfelde die Spuren sieht, wo ein Jagdzug darüber hinstürmte, oder die Treiber eine Herde trieben, die Gräser stehen nicht wieder auf, und man sieht lange die Verwüstung. Das Ärgste war nun vorüber. Wer das mit Augen gesehen, der dachte an keine Jägerschar, noch an eine Herde; nicht wilde Tiere, die der Jäger scheucht, nicht Rudel Wölfe, die der Hunger aus den Wäldern treibt, können so Hausen und wüten, so zerfleischen und verzehren, und das zurücklassen; so viel Blut, Schande, frechen Hohn, verstümmelte Leichname, geschändete Heiligtümer, der Jammer, der ans dein zitternden Halme sprach, und aus den Gliedmaßen des Kindleins, dem die Ferse eines Kannibalen das Hirn austrat. Das Wasser seufzte und die Luft stöhnte und der Wind in den Blättern nach Ruhe, und die Rauchwolken, die über den lodernden Aschenhaufen, von Flammen noch durchzüngelt, gen Himmel wirbelten, flohen entsetzt von dem Elend, das sie angerichtet.

Darüber waren nun Jahre vergangen, viele Jahre, Gras und Gesträuch wucherten wieder lustig auf dem Brandschutt; und auf den Feldern, wo brandenburgisch Blut den Sand gedüngt, grünten frische Saaten und der Herbstwind strich über Stoppelfelder. Der Schrecken zitterte nicht mehr durch die Glieder der Bauern, wenn das litauische Horn durch die Wälder gellte und die polnische Trompete ihm antwortete. Die Zeiten waren nun vorüber, als die wilden Götzendiener aus Masovien, vom Riemen und der Bialowieser Heide auf ihren raschen kleinen Pferden wie Heuschrecken das Land überzogen. Heute war noch alles gut und schön und morgen waren sie da gewesen und wieder fort. Sie halten nichts mehr zu suchen. Es war nichts geblieben, was war.

Wer rief die Heiden ins Land? Wer sagte den Litauern, daß in den Marken eine Erbschaft liege, da jeder zugreifen könne? Da liegen doch viele große Ströme zwischen den Brandenburgern und den Litauern, und der Weg ist weit. Wer zeigte ihnen denselben in das christliche Land? Der Bischof Stephan von Lebus. Und wer trug es dem auf? Papst Johann der Zweiundzwanzigste. — War das Irrung in der Natur? Glühte ein Meteor am Horizonte, das die Dinge verrückte und den Sinn der Menschen? Standen zwei Sonnen am Himmel und verbrannten die Hirne derer, die den anderen ein Vorbild sein sollen an Tugend und Weisheit? — Nein, aber in Deutschland waren zwei Kaiser ausgerufen, der eine Friedrich von Österreich und der andere Ludwig der Bayer. Der Papst hielt es mit dem Österreicher. Weil die deutsche Nation ihm nicht gehorchen wollte, schleuderte er den Bann auf Ludwig, er schalt ihn einen Ketzer. Aber der Bayer hatte Erz um die Brust und der Bannstrahl glitt von dem guten Harnisch ab. Da rief der Papst in seinem Grimm die Bischöfe an, daß sie den Bayer und seine Söhne befeindeten und schädigten, als sie könnten. Der von Magdeburg, ein alter Feind der Brandenburger, säumte nicht, Tod und Verderben in das Land zu bringen, das dem Sohne des Kaisers gehörte. Von der anderen Seite rüstete und schürte der von Lebus. Aber er traute sich nicht allein; denn die Bürger der Stadt Frankfurt an der Oder waren gut brandenburgisch und reich und frei gesinnt; sie fetzten dem Pfaffen und seiner Tücke einen Daum aufs Auge. Da rief er den Polenkönig Wladislaw, den sie Lokietok, oder den Ellenlangen, nannten, daß der ihm beistünde; der Polenkönig aber rief die Litauer und ließ durch ihre Gauen schreien, was Beute in den Marken zu holen sei. Und das Horn und die Pfeife gellten durch die Wälder, und sie sammelten sich, wo ihre Fürsten vor den Höfen das Banner mit dem weißen Reiter ausgestellt. Aber dieweil sie im Kriege waren mit den deutschen Rittern in Preußen, die dort hingestellt waren vom Papste, daß sie die Barbaren befehdeten und im Zaume hielten, und, was an ihnen, die Greuel des Heidentums austilgten, befahl Papst Johann den Rittern, daß sie Frieden mit den Litauern schlossen und keine Einfälle in ihre Grenzen machten, damit die Heiden ungefährdet ausziehen könnten und wüten und brennen in einem gut christlichen Lande. Wer’s nicht weiß aus den alten Chroniken und es nicht las in der Historie, der glaubt es nicht; aber es ist so. Ein Bischof rief die Götzendiener und ein Papst gab ihnen Frieden und Segen, damit sie den Fluch brachten und viele hunderttausendmaltausend Verwünschungen über ein so friedlich-glücklich Land, wo der wahrhaftige Gott und fein Sohn und die heilige Jungfrau an viel tausend Altären angebetet wurden. Diese Altäre stürzten sie nieder und ritten durch die Kirchen und ließen ihre Pferde saufen in den Taufbecken und beschmutzten die heiligen Gefäße: und was Hohn sie mit den Bildern des Gekreuzigten und der Mutter Gottes trieben, das läßt sich nicht beschreiben. Nicht die deutschen Skribenten allein, auch die Polen, die doch, obwohl Christen, da mithalfen, schlagen ein Kreuz, wenn sie davon sprechen, und ein alter Chronist ruft: „Die Feinde wüteten wie tolle Hunde, damit Papst Johann der Zweiundzwanzigste seine Tücke üben konnte!”

Ach Gott! wer die Lastwagen sah, die unter der Beute brachen, und die Wege nach der Grenze wurden grundlos von den Rädern und Pferdehufen. Und durch den Morast, darin sie versanken, peitschten die Reiter die Scharen armer Gefangener erbarmungslos. Wer das schon nicht ansehen mochte vor Jammer, die Männer und Knaben wie das Vieh aneinander gekoppelt, und blutend von den Striemen der Geißel, dem wandte sich das Herz im Leibe um, wie sie die Frauen und Mägdlein mit sich schleppten. Die hing, von seinem braunen Arm umfaßt, vor dem Reiter über dem Pferd; ihr blau Auge schaute umsonst nach Erbarmen in dem buschigen Gesichte, das sie angrinsle. Da waren sechs, acht zusammengebunden auf dem Wagen, als wie Kälber, die man zum Markte führt. Aber rudelweise trieben sie andere, die keiner von den Führern sich ausgewählt, zwischen den Pferden, barfuß, halb nackt, die Haare herunterhängend, und der Staub setzte sich in ihren Schweiß. Wo sie sich hinwarfen, trieb die Peitsche sie wieder auf, und wo eine nicht weiter konnte, da übte die Brut das Ärgste an ihr und ließen sie liegen und verschmachten am Wege. Ach, der Tod war besser als das Leben.

Das war zumal herzzerbrechend an den Grenzen zu sehen, wie sie Abschied nahmen von dem lieben Vaterlande und die Arme ausstrecklen dahin, wohin keine zurückkehrte.

Das mußten gute Christen und unsere Vorväter dulden. Freilich ereilte viele die Rache Gottes und das brandenburgische Volk tat sich auf und schlug die Räuber; aber wer führte die wieder in ihre Heimat zurück, die sie in die litauischen Wälder geschleppt, und wer verargt es den Völkern, daß in ihrem Herzen die Liebe nicht wuchs zu dem, der hingestellt war, daß er sie schütze, und um seinetwillen erduldeten sie das Arge! Er war damals ein Knabe, halb wollte er nicht, halb hatte er des keine Lust.

Doch nun waren viele, viele Jahre vergangen und aus dem Knaben war ein Mann gewachsen, aber das Glück der Mark Brandenburg war nicht mitgewachsen. Er hatte nichts getan, daß er das Schlimme gut mache, und wie die Pest ansteckt, erbt das Unglück fort. Und wo einer sich schwach zeigt gegen einen, da meint der zweite und dritte, er könne es auch mit ihm wagen; und es reißt nicht ab, so lange was zu reißen ist. Da fiel der Mecklenburger ins Land und der Pommer und kam wieder und die Sachsenherzöge. Ein Mann hat nur zwei Arme und einen Kopf. Wie soll er allein gegen Hunderte streiten! Aber so noch in dem einen Kopf der Sinn nicht eins ist, sondern bald hierin, bald dorthin steht, was kann man da für Heil erwarten und Tüchtiges! Markgraf Ludwig war kein böser Mann und kein schlechter Ritter. Und wäre die Mark Brandenburg eine muntere Dirne gewesen mit roten Lippen und von warmem Blute, er hätte sie in seinen Armen gehalten und verteidigt ritterlich. Aber sie dünkte ihn alt und kalt und welk. Er sprach schöne Worte und verhieß gute Dinge, wenn er ins Land kam; aber wenn die Märker wieder zu ihm sprachen auf den Landtagen und bei Hofe, ward ihm schläfrig und er dachte der lustigen Gemsjagden im Oberlande an den Ufern der dunklen Seen und an die dunkleren Augen der hochgewachsenen Bayerinnen. Mit Not hielt er es ans und länger nicht als er mußte, und gähnte wie ein alter Mann. Aber wenn es nach Hause ging, ins Bayernland, dann ward er ein junger Mensch und der mutigste Renner ging ihm nicht schnell genug. Schon hatte er sein Land vergessen, und sein Roß hatte doch noch nicht den märkischen Boden vom Hufe abgeschleudert.

Da er kaum Mann war, hatte man ihm ein Weib gegeben, die Tochter des Königs von Dänemark, und kaum, daß er Witwer worden, verheiratete ihn sein Vater, der Kaiser, wieder mit der Erbin von Tirol. Als wie die Mark Brandenburg und das Land Tirol zwei ganz verschiedene Dinge sind, und man begreift kaum, wie das zusammenpaßt und einer Herr sein kann von beiden, also war das auch eine seltsame Ehe und gab viel Anstoß und Ärgernis im ganzen Deutschen Reiche. „Die deutschen Frauen sind wohlgetan”, hatte vor hundert Jahren ein Sänger gesungen, Walter von der Vogelweide, und sein Lied wurde wieder gesungen auf den Bergen und in den Tälern, so weit die deutsche Zunge reicht. Aber wenn sie’s sangen in den Bergen von Tirol und auf ihre Fürstin blickten, dann schaute wohl einer den anderen bedenklich an, und sie lächelten. Margarete war nicht wohl- getan, sagen die Chronisten, und die Leute gaben ihr den Namen Maultasch; man weiß nicht, ob ihr Mund schief gewachsen, oder war es um ihres losen Mundes willen, daß sie zu viel redete für ein Weib. Auch wie das Land Tirol halb deutsch ist und halb italisch, so war in ihr von italischem Blute. Sie war eine üppige Frau, und wollte ihren schwächlichen Mann, Heinrich von Lützelburg, los sein, gegen den sie allerhand vorbrachte, daß er nicht ihr Mann sei. Der Papst wollte ihr nicht helfen; da wandte sie sich an den Kaiser.

Ludwig war von hohem Sinn, und Deutschland hat schlimmere Kaiser gehabt. Aber die Zeit war schlimm geworden, und das große Band der Eintracht zerrissen. Fürsten und Kleine dachten schon mehr an ihren eigenen und ihrer Häuser Vorteil als an das Wohl des Vaterlandes, das ihrer aller ist. Kaiser Ludwig zerriß durch sein Machtwort das Band der Ehe zwischen Margarete und ihrem Mann, daß er seiner Familie das schöne Land Tirol gewinne. Und er verheiratete sie mit seinem Sohne Ludwig von Brandenburg. Er hatte nie schlimmer getan in seinem Leben. So er Feinde hatte, hatte er die Gerechtigkeit für sich. Nun wuchs seiner Feinde Zahl, und das Unrecht war auf seiner Seite. Aufs neue schleuderte jetzt der Papst Klemens VI. seinen Bann wider ihn. Die kaum gefesselte Zwietracht loderte unter den Fürsten und Völkern; ein neuer Gegenkaiser stand auf, gefährlicher als der Österreicher, der schlaue Karl von Lützelburg, Böhmens König, und jenes Heinrich Bruder, dessen Schmach und Kränkung er zu rächen hatte. Da kam die böse Zeit über den alten Kaiser und die Bayernherrschaft. Er als ein Ritter wehrte sich seiner Feinde, so lange er lebte; aber der Fluch traf sein Haus, als er die Augen schloß.

Da stand sein Sohn Ludwig, der Markgraf, auf, mit dem einen Fuße auf dem brandenburgischen Sande, mit dem anderen auf den Alpen Tirols, und sein Sinn war nicht hier, und sein Sinn war nicht dort. In der Mark fröstelte ihn, und auf dem Schloß Tirol, wohl wehten ihn warme Lüfte an aus dem schönen Tale Meran, aber wenn sein Weib Margarete den runden Arm ihm um den Nacken schlang, sehnte sein junges Blut sich zur Wolfshetze nach der Priegnitz. Er war ein rüstiger Jäger. Die Armbrust in der Hand, klimmte er an den Felswänden bis zu den Gletschern auf, und zitterte nicht, wo der Abgrund, jäh, lausend Fuß tief, an seiner Seite gähnte. Sein Bolzen traf die Gemse ins Herz und sein Blick die Sennerin. Auf den Turnieren in Landshut und dem

schönen München erwarb er manchen Preis, und wenn die schöne Hand den Kranz ihm reichte, warb er wohl um mehr, und worum er warb, sie sagen, er gewann’s. Ein Fürst und Sieger, wo das Helle Sonnenlicht auf seinen Silberpanzer schien und auf sein freudestrahlend Antlitz; er war’s auch in der stillen, lauen Nacht, wenn er, verhüllt im dunklen Mantel, durch die Straßen schlich und über Mauern kletterte.

Aber er war kein Sieger und kein Fürst in der Mark Brandenburg. Bei Prenzlau schlugen ihn die Pommern, und bei Kremmen erlitt er eine Niederlage, die war schmählich genug. Biel tausend Mark Silber mußte er den Stettiner Herzögen zahlen, daß er nur die Uckermark wiederbekam, und mußte entsagen der Lehnsherrschafl über Pommern. An dieser Niederlage und diesem Vertrage litt und krankte die Brandenburgische Herrschaft an fünfhundert Jahre. Es wäre ohnedem Pommern längst ein Reich geworden mit der Mark, und viele Zerwürfnisse und viele Kriege mit den Nachbarn wären nicht gewesen.

Darum hatte er kein Herz für das Land. Wenn die Boten kamen von den Ständen und Städten, um ihn zu rufen, mußten sie lange pochen an sein Tor. Da führte er sie wohl auf die Mauern und wies den Abgesandten das duftende Tal der Etsch, mit den Rebengeländen und den blühenden Kastanien, und der Feigenbaum wuchert wie Unkraut an dem Gemäuer. Er wies auf die Eisfirnen, die schaltend niederblickten auf die duftenden Felder, auf die dunkelgrünen Forsten, und die hundert stolzen Burgen und Schlösser; die an den Abhängen kleben wie Perlen im Golde, auf die reichen Klöster und Höfe zu Füßen; hin sah er auf die ferne Mendola, den wunderbaren Bergfels, angehaucht von italischer Abendsonne, und seufzte und sprach, oder er dachte es nur; „Was bietet ihr mir dafür?” — Nur Klagen und Bitten.

Die hatten kein Ende. Von Druck und Unrecht, von Raub und Gewalttat, von Mord und Frevel. Er mußte hören, denn sie sprachen auch von der Gefahr seiner Herrschaft. Die Fürsten umher, die Sächsischen, die Magdeburger, die Pommern und Mecklenburger lauerten an der Grenze und fragten sich: „Was soll dem Bayer das Land, das unserer Väter war, und er kümmert sich nicht darum?” Es lauerten dunkle Anschläge, und die Mönche schlichen durch die Städte und Dörfer und predigten Aufruhr gegen den ketzerischen Herrn. — Da griff er denn nach dem Pokal mit edlem Tirolerwein und leerte ihn: „Auf euer und eures Landes Wohl, ihr Herren!” sprach er, aber in sich dachte er seufzend: „Auf mein schönes Tirol!” Und er hob atmend die Brust nach den wohlgeruchduftenden Lüften, aus dem Passeiertal und dem Pintschgau. Er blickte mit trübleuchtendem Auge nach dem wonnigen warmen Himmelsblau und den goldenen Früchten in Feld und Garten, und schwang sich auf sein Roß, und gab ihm die Sporen als wie einer, der sich mit einem allen Weibe verheiratet, und er muß von seinem jungen Schatz in das verdrießliche Ehebett.

In der Mark, wenn er ankam, freilich sprach er da anders. Er ließ sie nicht zu Worte kommen mit ihren Klagen, so schön und volltönend redete er von seiner Liebe zu den treuen Märkern und seinen guten Absichten. Dann hielt er Hof wie ein Kaiser. Die Musika und der Becherschall dröhnten meilenweit; solche Kleiderpracht hatte man in den Marken nie. gesehen, und gegen jedermann war er holdselig. Es war, als lache die Sonne sie an; aber wenn er den Rücken gewandt, tat der Frost desto kälter. Da bewilligten die Stände Zölle und Auflagen, denn er wollte alles bessern und Herstellen; aber wenn die Rentmeister das Geld in dem Säckel hatten, riefen ihn seine Stände aus Bayern und Tirol, oder ein Fürstentag, oder eine Fehde ins Reich. Und er war fort wie der Sonnenschein im November. Es war kein Streit geschlichtet, keine Straße gebessert, kein Raubschloß gebrochen, kein verbranntes Dorf auferbaut, keine Stadt befriedigt.

So stand es im Jahre 1348 in den Marken, und es war ein trauriges Wesen zwischen Elbe und Oder.

 

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