Meine ganz persönliche Einleitung
zur
„Resteküche“ und zum „Einfache-Leute-Essen“ zu Lebzeiten unserer Omas.
Bei den Herrschaften im 19. Jahrhundert
– Weihnachtsessen des Personals –
Warum schreibe ich das?
Lest – wenn Ihr’s nicht erwarten könnt – wie in einem Roman, zuerst den letzten Satz.
Das Dienstpersonal des guten Hauses, die Küchen- und Haushaltshilfe, das Kindermädchen, auch das einfache Gesinde, die Hof- und Stallknechte nahm natürlich nicht an der Festtafel der besseren Gesellschaft Platz und erhielt selbstverständlich keinen Anteil am weihnachtlichen Festschmaus der Familie und ihrer geladenen Gäste.
Das stand dem Gesinde nicht einmal zu einem geringen Anteil einmal. Dies hatte rund um Haus und Hof für Ordnung und Sauberkeit zu sorgen, kümmerte sich auch um Garten, Brennholz, Reparaturen und in den Stallungen um Kutschen und Pferde und deren Dung; während die Kochmamsell, Mägde und Dienstmädchen das Innere des Hauses und die Bewirtung unauffällig und unaufdringlich im Griff zu haben hatten.
Die „häusliche Wirthschaft“ delegiert die Frau des Hauses. Sie ließ sich von der Kochmamsell die Verwendung der Haushaltsmittel belegen und hatte wiederum dem Hausherren, dem Patron gegenüber über den Einsatz des Personals und die Verwendung des Geldes Rechenschaft zu leisten.
Diese Hierarchie war unumstößlich in den Köpfen der Gesellschaft klar und deutlich implantiert.
Dazu gab es keine offenen Fragen.
Da wurde so kalkuliert, dass für die „unsichtbaren Seelen der Hauswirthschaft“ nicht extra eingekauft und zubereitet wurde. Einen Kantinenbetrieb fürs Personal gab es nicht.
Die „Beschäftigten“ (angestellt waren sie nicht) lebten von dem, was der tägliche Haushalt der Herrschaften ihnen eben hergab und übrig ließ. Das war „Lohn und Brot“. Es ist wissenschaftlich längst nachgewiesen, dass viele einfache Leute zu ihren Lebzeiten außer Pfennigen jemals Geld gesehen haben.
Auch die Herrschaften ließen an normalen Tagen nicht die Tassen hochleben.
D.h. nicht etwa, dass das Personal hungerte, aber sie lebten nicht im Überfluss und bekamen sicher nicht das auf ihre Holzteller, was im herrschaftlichen Speisezimmer auf dem repräsentablen Porzellangeschirr serviert wurde. Es sei denn es blieb davon genug übrig und wurde nicht auf Vorrat für eine spätere Verwendung aufgewahrt.
Dienstleute waren im Wirtschaftsbetrieb des Haushalts des 19. Jahrhundert quasi automatisch integriert, bekamen aber nur das, was die in „Zünfte und Stände“ eingerichtete Gesellschaftsschicht der Arbeitgeber für ihren Haushalt und ihren Alltagsgeschmack einkauften. Besondere Wünsche wurden nicht erfüllt und „Extrawürste nicht gebraten“
Der Überfluss blieb ein unerreichbarer Traum aus paradiesischer Vergangenheit, eine Gesellschaft, die zukünftig einmal alles wegwerfen wird, war zu jenen Zeiten so utopisch, dass sie nicht einmal vorstellbar gewesen ist.
Die Versorgung einfacher Leute basierte auf einer über Generationen etablierte und immer verfeinerten
„ Resteküche “,
aus der dem Personal, den dienstbaren Tagelöhnern, den Handlangern, den zur Meisterschaft umherwandernden Gesellen und allen der Familie des Hausherren und der Erhaltung seines Besitzes dienenden Zugeher und Anreicher eine angemessene Versorgung zuteil wurde.
Der „Eintopf“ – mehr Töpfe hatten einfache Leute u.U. auch gar nicht – und der allgegenwärtige „Schmalhans“ waren seinerzeit ständige Begleiter des unteren Standes und gehörten seit Jahrhunderten beide abwechselnd zur Grundversorgung.
Der Eintopf gilt sozusagen als der Ursprung der Resteküche.
Unähnlich, obwohl auf erheblich gehobenerem Niveau bis hin zur Gourmetküche, ist die Verwertung übrig gebliebener oder ganz einfacher Nahrungsmittel auch heutzutage nicht.
Am Beispiel der Zuckerrübe lässt sich dies bestens nachvollziehen.
Früher Winterfraß für Schweine (Rübenmiete) und Nahrungsmittel fürs Gesinde, in Notzeiten sogar für ganze Bevölkerungsschichten, heute in großen Tellern zu Miniportionen für teuer Geld im gastronomischen Angebot.
Warum schreibe ich dies?
Die Abläufe und Verwertungsprozedere in der Restküche sind in den Kochbüchern des 19. Jahrhundert beinahe nie oder nur beiläufig und unauffällig erwähnt. Sie sollen in diesem Blog ganz ausdrücklich ihre Würdigung erfahren.
Erna, d. 02.12.2020 (überarbeitet 03.12.2020)
Willst Du von hier wieder zurück in unseren „Finde-Index“ und weißt im Moment nicht wie ?
Schau nach unter „Tipps: # 3 (zum Findex)“
1 comment
Grüß Dich Erna! Deine Idee finde ich großartig. Genau darüber hatte Eugenie anfangs ja geschrieben: Wir wissen zu wenig über die einfachen Leute. Wie sie arbeiten mussten, wie sie zurecht kamen, was ihr karges Leben kostete, wovon sie sich ernährten.
Melde mich gern bei Euch, wenn ich dazu etwas für Euch habe.
Frieda