Mathilde hat uns hier einen super modernen Artikel aus 1820 herausgesucht. In diesem unglaublichen Text klagte doch die Autorin tatsächlich vor 200 Jahren ihr Leid über das zu meist minderwertige, putz- und vergnügungssichtige Küchenpersonal.
Nie und nimmer hätte ich erwartet, dass es derartige Dokumente überhaupt gibt und wenn ja, hätte ich es für unmöglich gehalten, dass ich so eines jemals zu lesen bekäme.
Aus der 1820 zu Auftrag genommenen, verbessernden, vermehrenden, Neues mitbringenden Überarbeitung des „allerneusten Kochbuches von Chr. Buchnerin“, das 1814 in nur geringer Auflage erschienen und sofort vergriffen gewesen ist.
Ueber das Erlernen der Kochkunst.
Viele Jungfrauen und Jünglinge, welche der Kochkunst sich widmen wollen, bringen nicht immer eine rechte Lust und Liebe hinzu, und denken sogleich auf das an sich selbst ganz achtbare liebe Brod, während sie vorerst nur um die Kunst bemüht seyn sollten, welche, einmal erlernt, das Brod schon hervorbringen wird, wie der Baum die Frucht.
Nun wird man’s in keiner Sache jemals zur Vollkommenheit bringen, wenn es von Haus aus an rechter Lust zur Sache gefehlt hat.
Andere, denen eine gar zu knechtische Verehrung des Meisters eingeprägt worden, verlieren sich in unnützen Weitläufigkeiten und Pedantereyen der längst veralteten Koch- Manieren, und sind taub gegen alle bessere Einsicht, gegen alle fernere Entwickelung durch eigene Erfahrung und eigenes Nachdenken.
Ich habe in der That junge Köchinnen Tage lang sich in der Kunst üben sehen, das Salz mir guter Manier an die Speisen zu streuen; zweifle aber, ob sie die Suppe deßhalb weniger werden versalzen haben.
Dann kommen endlich die rechten wahren Pilz- und Schwammgewächse unserer Zeit: die Vorwitzigen, Frühalten, Gleichklugen. Mit diesen ist nun ganz und gar nichts anzufangen. Ohne vorerst an Reinlichkeit und Ordnung von Grund aus gewöhnt zu seyn, ohne durch fleißiges Zusehen und Hören die Grundbegriffe recht gefaßt zu haben, will das Lehrmädchen heut zu Tage schon in’s Handwerk pfuschen, und dem Meister vorgreifen. Das ist durchaus nicht zu dulden.
Oft fehlt es den Köchinnen gar an aller Gründlichkeit der Bildung. Putz- und Modesucht, Romanenleserey, verliebte Narrheiten und mehr deßgleichen lassen gar keinen rechten Zusammenhang der Begriffe in ihnen aufkommen. Häufig treiben sie heut zu Tage ihr Geschäft mit Unlust. Doch sind sie deßhalb nur um so eigensinniger, und lassen sich durch nichts aus ihrer gewohnten Bahn bringen. Vergebens habe ich viele hundert Köchinnen zum Besseren zu leiten versucht.
Was ich auch sagen und durch Beyspiele belegen mochte, so sahen doch viele Frauenküchen, in die ich Morgens hinein trat, jederzeit aus wie ein Waschhaus.
Hier ein Napf voll Küchenkräuter, die im Wasser schwammen, dort fluthete der künftige Salat, hier laugte das Suppenfleisch, dort der Braten und Fisch in kaltem oder gar in lauem Wasser.
Hierin jedoch bewundere ich die Macht teutscher Pedanterey; stände es nur eben so sicher um die altherkömmliche teutsche Redlichkeit. In letzterem Stücke aber glauben die Köchinnen sich alles Herkommens entrathen in dürfen.
Prellerey im Einkauf ist leider an der Tagesordnung, seitdem manche Hausfrauen zu faul, zu unwissend, zu sentimental geworden sind, um Vorräthe anzulegen; seitdem mithin für jeden Tag des Jahres Auslagen zu machen sind, bey denen die Köchinnen selten sich selbst vergessen.
Da nun in bürgerlichen Haushaltungen nicht selten bey vieler Unordnung eine große Knickerey vorhanden ist, so ergeben sich da jene artigen Scenen und häuslichen Kämpfe, welche in den Städten eine unausgesetzte Völkerwanderung der Mägde veranlassen.
Diesen grellen Farben könnte ich manches schöne Bild friedlicher, anspruchloser Häuslichkeit gegenüber stellen. Treffliche Dienerinnen, gute Hausfrauen sind auch mir erschienen, wie hoffentlich einem Jeden, der diese Zeilen lieset.
Wollte man nun gar sich dahin verstehen, die Köchinnen nach Verdienst zu bezahlen, und sie mit mehr Gerechtigkeit oder weniger Launenhaftigkeit zu behandeln, so würden der vortrefflichen Dienerinnen noch gar viel mehrere seyn.
Allein es richten sich nur noch wenige Herrschaften nach den Ermahnungen Rumpolts, welcher also anhebt:
„Er —- der Obere — soll ihnen — den Untergebenen — zu gebieten haben, sich mit ihnen auch freundlich und gütlich betragen können. Seine Gebote und Befehle sollen nicht mit stolzen, aufgeblasenen, hochtrabenden und unbescheidenen ungestümen Worten, Schelten, Schnarchen und Poltern, sondern mit aller Lindigkeit, Sanftmüthigkeit, Freundlichkeit und Bescheidenheit geschehen, also, daß sein Hausbefehl, Anordnen und Anschaffen mehr für ein freundliches Bitten und Begehren, denn für einen harten Befehl gehalten werde.
Mit viel ungestümem Schreyen, Poltern und Schmähen richtet man wenig aus, vielmehr wird das Gesinde dadurch verirrter, halsstarriger und unwilliger.“
(58) Mathilde 10.12.2020
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