Das Kaiserliche Gesundheitsamt hatte erkannt, dass der böse Feind allgegenwärtig war und dem deutschen Volks nach dem Leben trachtete. Dazu ließ er natürlich auch nichts unversucht, sich der soliden und dem Deutschen Volke zustehenden Grundlagen der gesicherten Lebenshaltung zu bemächtigen oder diese negativ und zum Schaden der deutschen Bevölkerung zu beeinflussen, um Wehrkraft und Kampfeswillen und die Heimatfront zu schwächen.
Natürlich ging der Kaiser davon aus, dass sein Volk wie ein Mann für ihn einstand, denn die von ihm endlich eingeleiteten kriegerischen Auseinandersetzungen wurden lauthals begrüßt und stürmisch bejubelt.
Daher meinte er stets davon ausgehen zu können, dass seine Soldaten und dessen Familien alle Unbill ertragen und erduldet würden. Sein guter Krieg sollte den minderwertigen Feind hart treffen und ihn dank deutscher Manneskraft binnen kürzester Zeit besiegen.
Außerdem sollte es wohl für jeden guten Landsmann an der Front im Stahlgewitter unzweifelhaft um höhere Ziele gehen, als sich darum zu kümmern, wie man sich seinen Bauch gut füllen könnte.
Für die Versorgung der kämpfenden Truppen arbeiteten die heimische Wirtschaft, die Heimatfront und jedes deutsche Familienmitglied für die an der Front siegenden Helden.
Das war Ehrensache im aufrechten Deutschen Kaiserreich.
Es lebe der Kaiser.
Er lebe hoch!
Meinung und Redewendungen entnehme ich dem originalen Tagebuch meiner Urgroßmutter, weitergeführt und an vielen Stellen ergänzt und behütet durch den letzten Krieg gebracht von meiner Großmutter und danach wie ein Familienschatz aufbewahrt von meinem Vater.
Ich vermute aus den Zeilen meiner Urgroßmutter, dass unsere Urgroßväter freudig singend in den heiligen Krieg marschierten, um zu kämpfen, um binnen weniger Wochen wieder zu Hause mit dem Lieben am Küchentisch zu sitzen, um ihnen mit leuchtend blitzenden Augen von dem Gefühl zu berichten, ein überragender, stahlgehärteter, siegreicher deutscher Krieger zu sein.
Doch dann – so steht es an späterer Stelle im Tagebuch vermerkt – kamen der Winter und „Schmalhans“ ins Reich. Zeitgleich und gegen alle Versprechungen der Heeresleitung zogen sich die Kämpfe gegen die widerwärtigen und plötzlich zahlenmäßig zunehmenden Feinde hin.
Wer hätte aber auch ahnen können, dass diese hinterhältigen Gegner sich so zu wehren verstanden. Hatte es doch seit Napoleons Niedergang niemals diesen Eindruck erweckt.
Was blieb anders, als dem deutschen Volke nahezulegen, dass mit den Grundlagen der Ernährung sparsam umgegangen werden musste.
Bereits 1914 bauten Landwirte und Kleingärtner viel zu wenig an, um die Bevölkerung tatsächlich ernähren zu können. Die Männer waren ja auch im Krieg und nicht in den Beeten oder auf den Feldern.
Vorsorge für einen längeren oder langen Krieg hatte die Regierung nicht getroffen, Vorratslager gab es nicht.
Und zu allem Übel kam es auch noch zu einer staatsweiten Missernte. Es fehlten die Landarbeiter, die die Ernte hätten einfahren, verarbeiten und zu den Abnehmern, Fabriken, Märkten und Verbrauchern hätten bringen können. Die in der Heimat verbliebenen Deutschen (meistens Frauen) arbeiteten in der Kriegsindustrie.
Das war ein komplett miserables Kriegsmanagement.
Niemand übernahm Verantwortung – weder der Kaiser, noch die Heeresleitung.
Niemand bekam eine übergreifende Vollmacht, um die Krise zu meistern.
Krisen sorgen für Hamsterkäufe, illegales Einlagern, fallende Qualitäten und steigende Preise.
So kam es dann auch.
Und das ging alles richtig fix. Gleich 1914 musste das Kaiserreich seine Untertanen allerorten zum sparsamen Umgang mit den vorhandenen Lebensmitteln auffordern und die tragische Wahrheit offenbarte sich recht zügig als es zu echten Hungersnöten und miserabler, sogar ungenießbarer Speise auf den Tischen der heimischen Familien kam.
Der Unwille des Volkes äußerte sich zu Hause recht bald in den Themen des erstarkenden Sozialismus, des aufkommenden Kommunismus, die wohl überwiegend aus England und dem russischen Staatsgebiet herüberschwappten und nicht folgenlos blieben.
Als eine fast schon luxuriöse Mahlzeit galt damals:
Die Kartoffelsuppe
für deutsche Haushalte in Kriegszeiten
1 ½ Pfd. rohe, geschälte Kartoffeln
1 ½ Ltr. Wasser
1 Gewürzkorn (*)
2 Eßlöffel Suppengrün, bes. Porree
½ Eßlöffel Salz
1 Eßlöffel Fett
1 Eßlöffel Roggenmehl
1 Eßlöffel gewiegte Petersilie oder Selleriekraut
1 Prise Pfeffer
2 Eßlöffel Nährhefe
Die Kartoffeln werden mit kaltem Wasser aufgesetzt und, wenn sie kochen, abgegossen.
Dann wird 1 ½ Ltr. Wasser auf die Kartoffeln gefüllt.
Gewürz, Suppengrün und Salz werden hinzu getan und das Ganze zugedeckt 1 Stunde gekocht.
Im irdenen Topf schwitzt man inzwischen Fett mit dem Mehl gar, bis es schäumt.
Das Suppengrün wird mit der übrigen Masse durch ein feines Sieb gestrichen und unter Rühren zur Mehlschwitze geschüttet, mit der sie im offenen irdenen Topf wenigstens 10 Minuten verkochen muß;
Petersilie (oder Selleriekraut) schwitzt man in ½ Eßlöffel Fett und schüttet sie zur Suppe, die man mit Pfeffer abschmeckt.
Hat man Knochen- oder Speckbrühe, so ist sie gut anstatt Kochwasser zu verwenden, dann genügt ½ Eßlöffel Fett.
(*) gemeint ist „Piment“
Ein Beitrag von Hildegard Kes
Eugenie 31.08.2021