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1914 – Volksernährung in der Kriegszeit

by de olde Grotmüdders

März 1914 / März 1915
Die Not der Deutschen war groß, der 1. Weltkrieg tobte unerwartet heftig und der deutsche Kaiser, vertreten durch seine überhebliche und weltfremde Heeresleitung versagte auf ganzer Linie.
Kein Versprechen wurde wahr, statt dessen wurde das Essen knapp und das Knappe wurde teuer und je teurer desto schlechter wurde es.
Ein Teufelskreis war in Gang gesetzt worden, der die Regierung zwang, sich an ihr Volk zu wenden, um vom eigenen Versagen abzulenken und ihm “so glaubwürdig wie möglich” einen Schuldigen zu präsentieren.
Dazu erschienen im März 1914 und im März 1915 Informationsbroschüren mit Tipps, um Lebenshaltungskosten zu senken und sich mit wenig Lebensmitteln über Wasser halten zu können:

 

Volksernährung in der Kriegszeit
Ein Merkblatt
von

Dr. Franz Bumm, Wirklichem Geheimem Oberregierungsrat, Präsidenten des Kaiserlichen Gesundheitsamts Berlin.
Prof. Dr. Paul Eltzbacher, Rektor der Handelshochschule Berlin.
Prof. Dr. Martin Faßbender, Mitglied des Reichstags und des Preußischen Abgeordnetenhauses Berlin.
Frau Hedwig Heyl, Berlin.
Dr. Max Rubner, Geheimem Regierungsrat, Professor an der Universität Berlin.
Dr. Nathan Zuntz, Geheimem Regierungsrat, Professor an der Landwirtschaftlichen Hochschule Berlin.

Feinde ringsum !
Das deutsche Volk ringt zu Wasser und zu Lande den Kampf um sein Dasein.
Unser Heer steht in Waffen gegen die halbe Welt.
Unsägliche Opfer werden von unseren Kriegern im blutigen Kampfe verlangt.
Um ihnen den Siegespreis zu entreißen, will England das deutsche Volk durch Hunger niederringen. Die feige Waffe hebt sich gegen Weib und Kind.
Der Schlag soll wirkungslos sein, nicht mutlos soll man uns finden.
Unsere Nahrungsversorgung ist gesichert, wenn die schwere Stunde uns bereit sieht zu vernünftiger Lebenshaltung und zur Preisgabe von Luxus und Verschwendung.
Nicht Entbehrungen werden gefordert, sondern nur eine Lebensweise, die dem Ernst der Lage entspricht und, weit entfernt die Gesundheit zu schädigen, vielmehr eine Quelle körperlicher und sittlicher Kraft ist. Keiner darf hier versagen. Unser Heer soll an uns Mitkämpfer und Opferwillige finden, die in der Heimat und mit ihren schwachen Kräften mitringen um den Lorbeer des Sieges.Die uns gestellte Aufgabe ist eine doppelte. Wir müssen die Nahrungsmittel wählen, die uns das eigene Land reichlich liefert, und wir müssen die Vergeudung vermeiden, die nur zu sehr bei uns eingerissen ist. Beides bedeutet eine Rückkehr zur einfachen Vätersitte.

 

1. Fleisch und Fische.
Wo der Fleischgenuß in den letzten Jahren übermäßig gestiegen ist, führe man ihn auf ein bescheidenes Maß zurück. Wurst- und Fleischaufschnitt zum Frühstück können sehr wohl in Wegfall kommen, ebenso der jetzt durchweg zu reichliche Genuß von Fleisch zum Abendessen, sogar der völlige Verzicht aus Fleisch an einzelnen Tagen schädigt die Gesundheit nicht. Das Fleisch kann durch andere Speisen sehr wohl ersetzt werden, vor allem durch billige Fische, aber auch durch Käse, Milch, saure Milch und gehaltvolle Mehlspeisen. Wenn man Fleisch ißt, soll man sorglich damit umgehen. Abfälle und Reste, die heute vielfach als wertlos weggeworfen werden, liefern gute Suppen und Saucen und andere Gerichte.

2. Fett.
Der Genuß von Schmalz, Speck, Kunstbutter und anderem Fett, besonders auch von Butter und Rahm (Sahne) wird in einzelnen Landesteilen, wo man kein Brot ohne Fettaufstrich genießt, stark übertrieben. Ein zu reichlicher Fettgenuß ist geradezu gesundheitsschädlich, da er die Verdauung beschwert, außerdem ist das Fett ein unverhältnismäßig teures Nahrungsmittel.
Der Verbrauch in der Küche läßt sich einschränken; als Zutat zum Brot läßt sich das Fett durch andere Stoffe ersetzen, besonders durch Obst, Obstmus, Marmeladen. Die Fettreste soll man nicht verkommen lassen, man kann sie durch Ausbraten oder Reinigen (Durchkochen) wieder verwendbar machen.

3. Milch und Käse.
Die Milch soll reichliche Verwendung finden, auch saure Milch und Buttermilch sind ausgezeichnete Nahrungsmittel. Alle Arten der Milch lassen sich auch zu Suppen und Mehlspeisen verwenden, hierzu eignet sich auch die abgerahmte Milch (Magermilch), deren Verwendung sich bei billigem Preise empfiehlt. Die mannigfachen aus der Milch hergestellten Käsesorten, besonders auch Quarkkäse, sind bekömmliche und nahrhafte Speisen. Milch und Käse sind ein vortrefflicher Ersatz für Fleisch und Eier.

4. Brot und Mehlspeisen.
Als tägliches Brot soll man die hauptsächlich aus Roggenmehl hergestellten Arten bevorzugen. Die Sitte vieler Landesteile, als Frühstück und Abendbrot Grützen, Mehlsuppen und andere Suppen mit Zusätzen zu genießen, verdient Nachahmung.
Man bereite auch viele Mehlspeisen auf süddeutsche Art.
Brotreste lassen vielfache Verwertung in der Küche zu, man soll sie trocken aufbewahren, damit sie nicht verschimmeln und ungenießbar werden.

5. Kartoffeln.
Die Kartoffel soll im Haushalt eine ausgedehnte Verwendung finden, denn sie läßt sich zu mannigfachen und wohlschmeckenden Speisen verarbeiten. Sie kann mit vielen Gemüsen (auch mit Obst) zusammengekocht werden.
Man koche im allgemeinen die Kartoffeln mit der Schale, denn durch das vorherige Schälen geht ungefähr ein Zehntel unnütz verloren.
Erfordert die Zubereitung eines Kartoffelgerichtes das Schälen, so soll man sich des Sparmessers (Kartoffelschälers) bedienen.

6. Gemüse.
Ein gut zubereitetes Gemüse ist ein wertvoller Bestandteil des Mittagessens. Das Gemüse ermöglicht viel Abwechslung in der Kost. Bei der Zubereitung spare man an Fett. Auch Gemüseabfälle verdienen eine sorgfältige Verwertung.

7. Zucker und süße Speisen.
Zucker kann man in ausgiebiger Weise im Haushalt verwenden, er hat einen hohen Nährwert.
Während er in früheren Zeilen nur den Bemittelten zugänglich war und deshalb mehr als Genußmittel betrachtet wurde, kann er heute bei billigen Preisen geradezu als Volksnahrungsmittel dienen.
Mit reichlich Zucker eingekochtes Obst, Obstmus usw. ersetzen auf dem Brot die Butter. Süße Mehlspeisen, namentlich mit Obstbeilagen, sind keine bloßen Leckereien, sie können recht wohl dann und wann das Hauptgericht der Mittags- oder Abendmahlzeit sein.

8. Getränke.
Die besten und gesündesten Getränke sind Wasser und Milch. Kaffee und Tee schädigen bei mäßigem Genuß nicht, haben aber einen Nährwert nur in dem Zusatz von Zucker und Milch.
Im Genuß geistiger Getränke halte man Maß, namentlich Branntwein ist geeignet die Gesundheit zu schädigen.

9. Gestaltung der Mahlzeiten.
Abwechslung in der Kost ist für die Gesundheit von großer Bedeutung, weil der Körper durch sie am ehesten die sämtlichen notwendigen Nährstoffe erhält und außerdem die Eßlust angeregt wird.
Die Kriegszeit ist kein Hindernis die Kost ebenso abwechslungsreich zu gestalten wie bisher. Man muß nur die Möglichkeit verschiedenartiger Zubereitung der einzelnen Nahrungsmittel richtig ausnutzen.

10. Zubereitung der Speisen.
Bei der Zubereitung der Speisen kann man sich mit großem Vorteil des Selbstkochers bedienen.
Hierbei wird nicht nur Brennmaterial gespart, sondern auch eine gute Zubereitung der Speisen denjenigen Hausfrauen ermöglicht, die durch ihren Beruf den größten Teil des Tages dem Hause entzogen sind.
Der Selbstkocher hat auch den Vorteil, daß draußen arbeitende Personen jederzeit warmes Essen vorfinden.
Einen solchen Selbstkocher (den Kochbeutel oder die Kochkiste) kann man sich mit Leichtigkeit und ohne nennenswerte Kosten selbst herstellen.


Anmerkung:
Die damals im Original herausgegeben Anweisungen zur Herstellung des  Kochbeutels,  der  Kochkiste  und den sparsamen Umgang mit einem  Kochofen  beschreibe ich in den nächsten / übernächsten Artikeln.

 

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