Home Haus + Hof ... 1854 – Das Vorwort zum “Buch über das Hauswesen”

1854 – Das Vorwort zum “Buch über das Hauswesen”

by Concierge

Wer etwas über die Ansichten, das Leben, die Gewohnheiten und die Tagesabläufe unserer Ur-ur-ur-ur-Großeltern z.B. mitten im 19. Jahrhundert erfahren möchte, der sammelt und liest alte Zeitungen oder schnuppert in alten Schul-, Kochbücher und Aufzeichnungen über Erfindungen, Medizin und Wissenschaft.  In politischen Aufsätzen und Berichten kommt dann zutage, dass es mit dem Recht auf Gleichberechtigung nicht wirklich weit her war und die Stellung der Frau in Haushalt und Gesellschaft rein gar nichts  mit unseren heutigen Tagen zu tun hat.
Aber irren wollen wir uns dabei auch  nicht, denn erst Mitte der 70igeer Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurde geklärt, das der Ehemann einer beruflichen Beschäftigung seiner Ehefrau nicht mehr zustimmen oder er sie ihr nicht mehr untersagen konnte.
Aus der Werbung der 60iger Jahre kann man heute staunend erkennen, dass die Frau für Haushalt, Herd und Kindererziehung gedacht gewesen war und der Mann, als Ernährer und Familienvorstand prädestiniert, derjenige war, der das Haushaltsgeld herausrückte, den Kindern hin und wieder eine klappste (prügeln durfte er auch noch) und seiner Frau sagte wo “es lang ging!”
Wer meint, die friedliche Zivilisation gäbe es schon lange, der sollte noch einmal einige Stunden Geschichte und Gesellschaftskunde “nachsitzen”. Oder den Begriff definieren und sich seine Zeit bei seiner Suche danach “um die Ohren schlagen (Redensart)”.

Hier gibt es eine Kostprobe aus einem für Frauen geschrieben Buch des Jahres 1854:Das Vorwort”  zum vorgestellten Werk der  Marie Susanne Kübler “Das Hauswesen …”,  welches 506 Seiten plus 2 Seiten Vorwort umfasst und sich tatsächlich mit allem  beschäftigt, was ein funktionierender Haushalt im Bürgertum zu bewältigen hatte.
Ich möchte nicht vergessen, dass “Scharlotte” über Eugenie bei uns bereits im letzten Jahr einen sehr interessanten Bericht veröffentlichen ließ, der sich ganz ausführlich mit der Haltung und Zucht des Hühnervolks beschäftigt hat.
Er entstammt einer späteren, überarbeiteten und maximierten Ausgabe “Das Hauswesen … von 1867 (Auflage 5 mit 619 Seiten)”, ist aber bereits in der Ausgabe von 1854 enthalten.
Scharlotte besitzt neben anderen Uraltbüchern auch diese beide Ausgaben und versorgt uns dankenswerter Weise mit Scans.


 

Vorwort zur ersten Auflage.

Ein inniges Mitleid mit den vielen jungen Frauen, welche in den Ehestand treten, ohne die gehörigen Kenntnisse von der Führung eines Hauswesens zu haben, und daher manch’ schweres Lehrgeld bezahlen müssen, hat mich bewogen, durch vorliegendes Werk die Zahl schriftstellernder Frauen zu vermehren.
Ich weiß, es werden solche von den Männern mit scheelen Blicken angesehen; aber was kümmert’s mich, wenn meine Absicht eine gute war, und der Erfolg ein günstiger ist?
Was ich in diesem Buche niedergeschrieben habe, dient als Folie zu jenen Novellen, die sich durch alle Zeiten hindurch erneuern sind je nach Individualität und Bildung verschiedenartig gestalten werden, so lange die Familie, so lange die Ehe von sozialen Reformen unangetastet bleibt, so lange Männerherzen und Frauenherzen nicht aus Einem Stoffe, so lange wir nicht Engel sind.
Es ist — wenn ich mich je um das Urtheil der Menschen kümmern und mich folglich entschuldigen wollte, daß ich eine Sphäre betrat, welche die Männer für sich allein ansprechen — ein Buch, das ich in meiner Kinderstube, mitten unter den lärmenden Kleinen schrieb, welche mir zu einem Abschnitte desselben so reichen Stoff lieferten.

Im Bewußtsein, was den Frauen so oft mangelt und wessen sie bedürfen, habe ich mich bemüht, in diesem Werke alle meine Erfahrungen niederzulegen und, gleich der Biene, die aus zahllosen Blüthen den Honigseim saugt, aus den besten Quellen zu schöpfen, was im ganzen großen Gebiete des Hauswesens, dem kleinen Reiche der Frau, anwendbar ist.

Dabei suchte ich meinen Lieblingsgedanken, daß die trockene Prosa der Hausgeschäfte ganz wohl mit der Poesie zu verschmelzen sei, in Ausführung zu bringen und zu zeigen, daß auch das Hauswesen den Einfluß wahrhaft weiblicher Bildung günstig verspürt.
Wenn mir dieß gelang, wenn mein Werk jungen, unerfahrenen Frauen hie und da aus der Rathlosigkeit hilft, wenn es junge Mädchen belehrt, die des alten Vaters einsame Tage pflegen, wenn zuweilen auch eine ältere, erfahrene Frau seine Rathschläge nicht verschmäht, so ist mein Zweck erreicht.

Vor Allen aber sei es euch geweiht, ihr jubelnden Jungfrauen, die ihr mit ungestümem Bangen dem Tage entgegensetzt, an dem ihr zu eurer Bestimmung eingeweiht werden sollt. Es ist freilich eine unscheinbare Gabe; es sind Blumen.

 

Vorwort zur dritten Auflage.

Als ich vor zehn Jahren den Versuch wagte, über das Hauswesen zu schreiben, leitete mich besonders der Gedanke, jungen, unerfahrenen Mädchen und Frauen die nothwendige Aufklärung über ihren Beruf und die Pflichten der Hausfrau zu bringen und ihnen die Mittel darzubieten, sich in der Hauswirthschaft und Haushaltungskunst möglichst bald zurechtzufinden.
Daß meine Idee eine zeitgemäße war, beweist der erfreuliche Erfolg des Buches, welcher diese dritte Auflage nöthig macht.
Weit entfernt jedoch, diesen Erfolg den Vorzügen dieses Werkes zuschreiben zu wollen, ist er mir ein Beweis, daß die fortschreitende Geistesbildung die deutsche Frau nicht nur dem Kreise ihrer eigensten weiblichen Pflichten nicht entzieht, sondern im Gegentheil ihr Interesse daran noch reger macht, indem sie ihre Kenntnisse und ihr Wissen auch hierin zu bereichern sucht.
Ich hielt es daher für meine Pflicht, diese dritte Auflage einer sorgfältigen Durchsicht und Verbesserung zu unterwerfen und sie mit viel wissenswerthem Neuem zu bereichern, zu dessen Aufnahme sich auch die Verlagshandlung bereit erklärte.
So wurde denn ein wesentliches Kapitel: „Die Kenntniß der Nahrungsmittel und ihr Einkauf” eingeschaltet und überhaupt das ganze Buch in Einklang mit den Fortschritten gesetzt, welche seit dem Erscheinen desselben die Zeit auch im Gebiete der Hauswirthschaft gemacht hat.
An dieses Werk anknüpfend, habe ich vor einigen Jahren in meiner „Hausmutter, Verlag von Scheitlin und Zollikofer in St. Gallen”, die Koch- und Haushaltungskunst hauptsächlich vom wissenschaftlichen Standpunkte aus dargestellt, und in jenem dürften daher denkende Frauen noch das finden, was ihnen im vorliegenden Werke, zu fehlen scheint, 
während solche, die jenes Buch allein besitzen, vielleicht auch das „Hauswesen” seines durchaus praktischen Inhalts wegen willkommen heißen werden.

Wenn ich endlich ein Verdienst bei dieser neuen Bearbeitung habe, so ist es das, nicht gewissenlos Stoff zusammengestoppelt, sondern mit gesteigertem Interesse und einer Umsicht, welcher langjährige Erfahrung zur Seite stand, daß schon früher mit redlichem Fleiß geschriebene Werk gesichtet und aufgefrischt zu haben, so daß es sich als verjüngter Begleiter einer neuen Generation von Bräuten und jungen Frauen anschließen kann.

Möge es zahlreiche Freundinnen gewinnen und recht viel Gutes stiften!

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