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1874 – Aus dem Gerichtssaale des Landgerichts Graz

by de olde Grotmüdders

Aus dem Gerichtssaale.

Ein roher Bursche.

Am 22. December wurde vom Landesgerichte in Graz Johann Ruhütl, Bauerssohn in Weinglanz bei Leibnitz zu 10jährigem schweren Kerker verurtheilt, weil er im März das Haus der Neudorfer Schmiedin angezündet hatte.
Mit Mühe konnte damals die kranke Besitzerin Josefa Fürnschutz aus dem brennenden Gebäude gebracht werden und starb bald darauf in Folge des Schreckens und der Verkühlung.

Die Ursache der Brandlegung war höchst geringfügig. Ruhütl begehrte nämlich in der Nacht bei der Schmiede Licht, um etwas auf der Straße zu suchen, und da seinem Wunsche nicht gänzlich entsprochen wurde, stieß er gleich die Drohung aus: „Wenn Ihr mir kein Licht gebt, so sollt Ihr’s heute noch brennen sehen.” Diese Drohung wurde bald darauf verwirklicht.

Bei der Schlußverhandlung wollte Ruhütl von alldem nichts wissen; er sei betrunken gewesen, auch habe er oft, wenn der Mond im Aufnehmen ist, seinen „Sturm” und wisse dann nicht, war er thue. Er könne es aber durchaus nicht glauben, daß er den Brand gelegt habe und sei neugierig, wer ihm das sagen könnte.

Der Angeklagte rechtfertigt in seinem heutigen Benehmen vor Gericht vollkommen die Aussagen der Zeugen, welche denselben als rohen, gefährlichen, verschmitzten, boshaften, dem Trunke und der Trägheit ergebenen Menschen bezeichnen.

Präsident: Heute leugnen Sie die Brandlegung, Sie haben ja selbst vor Zeugen und vor dem Untersuchungsrichter diese That eingestanden. —
Angeklagter: Ich?! Das ist Alles nicht wahr’. (Trotzig): An oan Menschen is so nix, thut’s wegen meiner Holzhacken auf mir. Die Zeugen schwören für ein Seidl Schnaps 50 Eide.

Franz Finster erhielt vor drei Jahren bei einer Rauferei von dem Angeklagten vier Messerstiche in den Leib, deren Narben zum Theile heute noch sichtbar sind, getraute sich aber bisher nicht, hiervon die Anzeige zu erstatten, weil er das gewaltthätige und rachsüchtige Wesen des Ruhütl fürchtete.

Präsident: Kennen Sie diesen Zeugen? —
Angeklagter: Nein. —
Präsident: Sie haben ihn ja gelegentlich einer Rauferei mit einem Messer gestochen. – Angeklagter: Da» ist nicht wahr, ich habe ihn nie gestochen. Für den brauche ich kein Messer, ich richt’s so auch.
Präsident: Wie richten Sie es denn: Sind Sie so stark? —
Angeklagter (mit Selbstgefühl): Na, ob i stark bin! Den pack i glei bei die Loser und hau ihn um die Erten, daß alles klescht. Jetzt, weil ich ohnehin mit einem Fuße im Grabe bin, kommt der und tritt mich ganz hinein. Aber, macht nichts, ein höheres Wesen gibt’s, ohne den kein Gras wachst und das wird mich auch nicht verlassen. Ich könnt’ auch meinen Schädel herzeigen und sagen, diese Löcher hat mir der Finster geschlagen, denn gerauft ist alle Sonntag worden. –
Präsident (zum Zeugen): Beanspruchen Sie eine Entschädigung? —
Zeuge: Ja, 40 Gulden Schmerzensgeld. —
Angeklagter: Was krieg’ denn nachher ich? Ich habe ja auch Schläge bekommen? (kopfschüttelnd) Das ist kein Geschäft. —
Präsident: Sie werden allgemein als ein rachsüchtiger, gefährlicher Mensch geschildert. —
Angeklagter: Wieviel hab’ ich denn schon umgebracht; ich bin froh, wenn ich selber Ruhe habe.

Bei der ganzen Vernehmung benimmt sich der Angeklagte sehr ungeberdig, fährt mit den Armen in der Luft umher und schlägt mehrmals mit der Faust aus den Tisch, so daß der Präsident ihn zur Ruhe verweisen muß.

Nach Beendigung des Beweisverfahrens und dem Antrage des Staatsanwaltes vom Präsidenten befragt, ob er noch etwas zu seiner Vertheidigung anzugeben habe, sagte er barsch: „Der Vertheidiger soll reden.”

Dieser jedoch verzichtete aus das Wort und schloß sich dem Antrage des Staatsanwaltes an.

Bei der Verhandlung kam auch vor, daß Ruhütl alle Sonntage in die Kirche ging und noch ein eifriger Besucher der in Hengsberg am 6. März, zwei Tage vor der That abgehaltenen Mission war.
Vermochten ihn denn die Predigten von der unbefleckten Empfängniß, der Schlechtigkeit der Freimaurer, der Süßigkeit der heiligsten Herzen und den Drangsalen der heiligen Mutter-Kirche nicht zu rühren?
Freilich, die Geistlichen dürfen gar nicht nach ihrem eigenen Gefühle vernünftig bildend, warnend und ermahnend predigen, sie müssen kirchlich und priesterlich predigen.
Der rohe Bursche hält dabei den Mund auf und doch geht nichts hinein in Kopf und Herz.


Eugenie, 08.10.2021
Ein Artikel aus dem steiermärk’schen Wochenblatt “Der Dorfbote” im Jahre 1874.


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