Home Bestrafung 1872 – Gräuelthat aus Eifersucht

1872 – Gräuelthat aus Eifersucht

by Concierge

Aus dem Gerichtssaale vom 2. November 1872
Nach einem Original-Bericht aus Wien
„Gräuelthat aus Eifersucht“

Einer jener erschütternden Vorfälle aus dem Leben, die sich aus dem wilden Aufflackern unbezähmbarer Leidenschaft ergeben, welche wieder ihren Ursprung in dem Gefühle vermeintlich oder wirklich erlittener Unbill hat, wurde heute im Gerichtssaals ausgetragen.

Zwei Mädchen sind es, die eine unansehnlich. Die andere, einst schön, nun auf gräßliche Weise verstümmelt. Was in diesem dieser Schlußverhandlung zu Grunde liegendem Drama die nicht beneidenswerthe Hauptrolle spielen sollte.

Emilie Zimmer, die trotz der furchtbaren Verstümmlung, welche ihr Gesicht durch den Racheakt ihrer angeklagten Rivalin erlitten hat, noch die unverkennbaren Spuren ihrer vergangenen Schönheit trägt, hatte wohl der Rivalin die Veranlaßung gegeben, die Ursache solcher Rachegedanken, wie sie zur Ausführung gelangten, zu beseitigen.

Allein das unansehnliche Mädchen, welches heute dem Richterspruche entgegensah, mochte aus dem vormals sehr hübschen Anblicke ihrer Gegnerin die Ueberzeugung gewonnen haben, daß dieselbe in dieser Erscheinung vergebens den treulosen Geliebten von sich weisen werde und ohne an die weiteren Konsequenzen ihrer Handlung zu denken, zerstörte sie die Schönheit der Nebenbuhlerin, als die alleinige Ursache ihres Jammers und ihrer Verlassenheit.

Seit Oktober d. J. unterhielt die 30jährige Dienstmagd Anna Stiasny ein intimes Liebesverhältniß mit dem Finanzwach-Aufseher Johann Zuber, ein Verhältniß, das von natürlichen Folgen begleitet war.
Als Anna Stiasny darüber dem Geliebten Mittheilung machte, wurde dieser unwillig uud wollte das Verhältniß lösen.
Die Ausführung dieser Absicht scheiterte allerdings an der Zähigkeit des Willens der Anna Stiasny, welche dem erwarteten Sprößling den Vater erhalten wollte.
Endlich nahm der auf Schritt und Tritt verfolgte abtrünige Liebhaber Zuber seine Zuflucht zu Drohungen.
Jedoch auch solches konnte die schwangere Anna Stiasny nicht einschüchtern.

Als Anna Stasny endlich in Erfahrung brachte, daß die Neigung des Zuber zu einem anderen Mädchen ihr den Verlust dieses Geliebten bereiten sollte, konzentrirte sich ihre ganze Aufmerksamkeit, ihr ganzer Haß auf dieses Mädchen, auf Emilie Zimmer.
Emilie Zimmer hatte von diesen Umständen keine Kenntniß.
Unter vielen Bewerbern zeichnete sie, die in Nr. 15 der Himbergerstraße diente, gerade den Zuber aus.

Am 30 Juli d. J. unternahm Anna Stiasny den ersten Schritt, sich der Rivalin zu entledigen; sie suchte Emilie Zimmer auf und theilte dieser ihr Verhältnis zu Zuber sowie die eingetretenen Folgen desselben mit.

Emilie Zimmer suchte die Aufgeregte zu beruhigen; sie versprach sogar, das Verhältniß mit Zuber um so eher zu lösen, als sie große Auswahl unter den Männern habe.

Anscheinend gab sich Anna Stiasny zufrieden: thatsächlich jedoch hatte der Neid um die Schönheit der Rivalin ihren Vorsatz gezeitigt.
Als sich Anna Stasny überzeugt hatte, daß Emilie Zimmer noch am selben Tage mit ihrem Geliebten gesprochen habe, kaufte sie Schwefelsäure und erwartete die arglose Nebenbuhlerin auf der Stiege des genannten Hauses.
Emile Zimmer kehrte mit den Speisen für ihre Zimmerleute zurück. Sie war nur mehr wenige Stufen von ihrem Stockwerke entfernt, als sie mit einem grellen Aufschrei Alles fallen ließ und besinnungslos zusammenbrach.

Anna Stiasny hatte der Gegnerin aus einem gewöhnlichen Trinkglase von oben und rechts konzentrirte Schwefelsäure ins Gesicht geschüttet und noch ehe Hilfe nahte, hatte die Flüssigkeit bereits ihre volle Wirkung gethan.

Ein Auge des unglücklichen Mädchens ist fast erblindet. Das Gesicht und der Hals, namentlich die linke Wange und der Mund sind von Brandwunden ganz zersetzt und ebenso soll nach dem ärztlichen Gutachten die linke Brust des Mädchens gelitten haben, was eine bleibende Verstümmlung für das ganze Leben tragen wird und in der Gefahr schwebt, zukünftig gänzlich oder doch theilweise sein Sehvermögen einzubüßen.

Das sind die furchtbaren Umstände, welche in der heutigen Verhandlung sowohl durch das Geständniß der Angeklagten. wie durch das Zeugniß ihrer unglücklichen Rivalin und durch die Doktoren Haller und Doll konstatirt wurden.

Anna Stiasny, die unansehnliche, furchtbare Rächerin, wurde bei ihrer sofort an jenem Unglückstage vorgenommenen Verhaftung im Besitze von Phosphor betreten, mit dem sie angeblich sich vergiften wollte.

Sie wurde wegen schwerer Körperverletzung zu sechs Jahren schweren Kerkers verurtheilt.
Emilie Zimmer behielt sich die Ersatzansprüche vor. bis zu der Zeit, in der sie die ganze Größe ihres Unglücks wird kennen gelernt haben; sie befindet sich nämlich noch in ärztlicher Behandlung.

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