Wer sich über die Lebensumstände unserer Urur…-Großeltern der frühen Jahrzehnte des 19. JAHRHUNDERTS informieren möchte, ist gut beraten sich zeitgerechte REISEBERICHTE durchzulesen.
Wenn man von der oft überbordenden Schilderung der Gefühlsstürme absieht, die die Reisenden beim Anblick schöner Landschaften, Burgruinen und des Sonnenscheins erleben und die – so scheint es – direkt ins Herz dringen, um dort ein Übermaß an Entzücken entfachen, kommt man in diesen oft sehr ausführlichen Berichten den tatsächlichen Lebensumständen jener Zeit doch recht nahe.
Einer dieser interessanten Reiseberichte liegt vor mir und ich habe die Hälfte des Inhalts des 1. Bandes bereits „verschlungen“. Will heißen, ich habe die gerade beschriebenen, auf Papier gebannten Gefühlsausbrüche überflogen und mich auf das konzentriert, was ich herauslesen wollte:
Schilderungen über das Reisen und deren Dauer mit Kutschen, Schiffen, Booten und per Eisenbahn. Weiterleitung von Informationen und Geldbeträgen in Zeiten ohne Internet, Beschreibungen der Mitreisenden, der Unterkünfte, deren Kosten und Service.
Betrachtungen der Menschen „in der Fremde“ und die nicht unterdrückbare Kultur der Ständeordnung aus unverstellter Sicht der Autoren.
Und bedenken wir: Es gab kein Internet, kein Telefon, keine Telegrafie, kein TV, kein Radio, Zeitungen waren – wenn es denn Tageszeitungen gab – alles andere als aktuell, es gab keine Elektro-Versorgung, keine Heizung, keine Spülklosetts, kein fließend Trink-Wasser, keine Vorschriften zur Hygiene in Küchen, Gaststätten und Hotels, ebenso fehlten diese bei der Herstellung und Lagerung von Lebensmitteln und in den Schlachthöfen, Tierschutz befand sich gerade einmal im Aufbau – bei gehobenen Ständen für deren Reitpferde, Jagdhunde und Haustiere, nicht aber bei den Bauern und in der produzierenden Landwirtschaft (auch nicht bei den Kutschern, die die Reisenden in Pferdedroschken durch die Lande kutschierten oder mit EILPOST durch die Gegend hetzten und da bei die Pferde zu Schanden trieben); in Russland (und nicht nur da) herrschte eiserne Leibeigenschaft und hierzulande war – gerade nach der napoleonischen Herrschaft – der Bauer als ein schmutziger, einfältiger, ungebildeter – ja Bildung sehr oft ablehnender – Zeitgenosse auf der unteren gesellschaftlichen Sprosse eingeordnet und trug sein Schicksal als Gottes Ordnungswille.
Wie bereits geschrieben, vor mir liegt so ein Reisebericht, einer mit all dem, was ich gerade vorgetragen habe:
„STREIFZÜGE DURCH DEUTSCHLAND UND ITALIEN“
In den Jahren 1840, 1842 und 1843
in 2 Bänden verfasst von
MARY SHELLEY (*)
www.verlagshaus-roemerweg.de
CORSO-Verlag
ISBNB 978-3-7374-0742-7
ISBN: 978-3-7374-0745-8
(*Erfinderin des Monsters Frankenstein)
Ich lese die Übersetzung aus dem Englischen von Nadine Erler, die ihrem leicht verständlichen Werk eine 5-seitige Einführung vorangestellt hat und das von Rebecca Rohleder unter der Überschrift „Ein Fenster ins neunzehnte Jahrhundert“ an den Schluss gesetzte Nachwort.
Für beides empfehle ich, diese bereits vor dem Reisebericht selbst zu lesen.
Einführung und Nachwort machen den Leser für den Inhalt des Buches deutlich aufmerksamer und lassen ihn empfindsamer mit Mary Shelleys Formulierungen umgehen.
Kurz und gut: Ich verspreche, dass es sich lohnt und es erheblich dazu betragen wird, das Leben unserer Vorfahren und der einfachen Leute besser zu verstehen und den Wandel der Zeiten in die moderne Welt durch die Tätigkeiten und das Schaffen unserer Großeltern und Eltern würdigen und schätzen zu lernen.