Der falsche Woldemar
2.
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„Das Reiselager.“
Auf der Straße, die nach Brandenburg führt, zogen mehrere miteinander. An jedem Orte, durch den sie kamen, schlossen sich ihnen noch andere an, als hätten sie auf jene gewartet, und so ward’s ein großer Zug. Einige beritten, viele zu Fuß, noch andere saßen auf den Lastwagen, so die Kärrner, nebenher laufend, führten. Wiewohl man nun hätte denken sollen, die Reiter wären bald voraufgewesen, und die schweren Karren noch hinter den Fußgängern zurückgeblieben, so hielten sie sich doch, was es ging, alle aneinander, und wer etwa rasch vorausgeritten war, der blieb stehen auf der nächsten Höhe, daß er die anderen erwarte. Auch wo einer sich verzögert, da hielt wohl die ganze Gesellschaft an, und gab ihm ein Zeichen, daß er sich fördere.
Es waren Krämer von allen Orten, Bauern, Geistliche, Mönche, Pilger, auch ein Rittersmann hatte sich angeschlossen; und selbst ein Jude lief, mit seinem Bündel auf dem Rücken, nebenher; aber der durfte den übrigen nicht zu nahe kommen.
Als wie man sagt, daß die Schlechten zusammen halten, so zwingt die Not in schlechten Zeiten auch die Guten, daß sie zusammen sich tun zu Schutz und Trutz. So machten sich auf den Straßen derlei Gesellschaften von selber. In jeder Schenke und in jeder Burg harrten, die da des Weges ziehen wollten, und es nicht allein wagten, bis andere kämen, denen sie sich anschlossen. Waren’s alte Bekannte oder sichere Leute, so war Freude da; kannte man sich aber nicht, so gab es freilich zuerst verdächtige Blicke, und jeder ging für sich und hielt den rechten Arni frei. Denn die Straße gehörte jedem, und es hätte nicht gut getan, einen fortweisen, weil man ihm nicht traute.
Aber stundenlang mit geschlossenem Munde nebeneinander zu gehen, war nicht die Art der Menschen. Und wahrhaftig, an Stoff zum Sprechen fehlte es nicht. Es brauchte nur einer einen Steinhaufen zu sehen, der ein Malzeichen war, daß hier ein Mann erschlagen worden, so gab es hundert Geschichten von begangenen Übeltaten, und einer löste den anderen ab, und alle waren Ohr. Und wenn sich’s in den Büschen regte, oder ein Trupp Reiter sich auf dem Felde zeigte, da drängten sie zusammen und hielten Rat, und wer den anderen blaß sah, der hatte nun gleich Vertrauen, daß er zu ihm gehörte. Furcht und Schrecken, Gott wende sie von uns allen, aber sie haben das Gute, daß der Mensch sich kennen lernt und seinen Nächsten; und wie die bösen, so kommen auch die löblichen Eigenschaften da am ehesten zu Tage.
Die Sonne war schon gar tief gesunken, und bald küßte sie die Spitzen der Kiefernwälder im Abend, aber noch hatten sie kein Quartier gefunden, da sie einkehren mochten. Der Schenken am Wege gab es wohl; denn keine Straße ist in Deutschland und im Wendenland, wo der Durstige nicht zu trinken fände. Ein Tannenreis hing über der Tür und ein Krug stand auf dem Gesims. Darum nennt man in der Mark Brandenburg eine Schenke noch heute „den Krug“. Aber wenn man auch trinken mochte, weilen mochte man nicht drinnen; zumal nicht in der Nacht. Störte dich auch nicht der Schmutz und das Ungeziefer, und konntest du schlafen, wo die Hühner dir über dem Kopfe saßen, und die Schweine frei in der Stube umherliefen, sicherer war’s in der Heide selber, eine Wurzel unterm Kopfe, als in seiner Heideschenke.. Im Walde ist’s dunkel, und das Gesindel mag uns vorübergehen, aber in der Schenke brennt Licht, und da findet es uns auf hundert Schritt. Der kleine Wende und sein runzlicht Weib und die Schar von nackten Kindern, die mit den Schweinen sich jagen, wovon leben die, und wer gibt ihnen Sicherheit? Der Reisende, der nicht mußte, dem riet keiner, daß er da übernachte. Da glänzte seitab im Abendrot eine Burg freundlich genug aus dem Grün, mit ihren hohen Ziegeldächern und den Fenstern, die wie lebendiges Gold glühten. Türme und Mauern waren noch wohl erhalten. Da wollten einige, daß sie einkehrten, denn sie hatten vor Jahren gute Aufnahme gefunden. Aber andere waren dagegen. Der alte Junker sei tot, und die Neffen, die jetzt miteinander im Schlosse hausten, führten eine böse Wirtschaft. Der Jude machte ein erbärmlich Gesicht und hob die Arme in die Höhe. Er hatte eine Nacht dort gut Quartier gefunden, aber am Morgen forderten die Junker von ihm so viel Schoß und Geleitsgeld, daß er seine halbe Habe hatte sitzen lassen. Ob nun wohl der alte Ritter meinte, das hätten sie nur von einem Juden gefordert, schüttelten die Krämerherren, die dabei waren, den Kopf und meinten, in der Dunkelheit schaue ein Bart aus als der andere, und wo sie Schoß nähmen, sähen die Junker nicht auf den Glauben.
Darauf beschlossen sie, in der kleinen Stadt, die etwas rechts ablag, zu übernachten. Aber da sie dem Tore nahe kamen, und es dunkelte schon etwas, fanden sie’s verschlossen, und man wies sie ab, obschon, was gute Leute bei der Gesellschaft waren, ihre Namen sagten, und darunter hatten einige hübschen Klang. Von drinnen antworteten sie, die Tore täten sich nicht mehr auf, daß sie aber einlassen wollten den einen Frankfurter Kaufmann und den alten Ritter, so sie in den Korb sich setzten und über die Mauer sich winden ließen; aber die anderen sollten auf dreihundert Schritt von der Stadt bleiben; sonst drohten sie, daß sie Bolzen auf sie schicken wollten. Der Grund war, daß die Stellmeiser in der Nähe hausten, und es wisse niemand, unter welcherlei Verkappung sie in die Mauern schleichen möchten. Aber der alte Ritter mochte so wenig von seinem Pferd lassen und in einem Korbe in der Luft schweben, als der Kaufmann von seinen Güterwagen. Daher zogen alle ab, nachdem sie harte Worte mit denen auf dem Tore gewechselt, und mußten sich doch eingestehen, daß die Bürger recht täten.
Der alte Ritter, der ein freundlicher Mann war, schlug nun vor, da ihm der von Waldow, auf wendisch Zauchwitz, wo er viel Hufen hatte, ein lieber Freund von alters sei, möchten sie noch die Meile Weges nicht scheuen. Das Schloß, das er baue, sei zwar noch nicht fertig, aber die Herberge im Dorfe sei groß und gut zugerichtet von wegen der vielen Leute, die um des Baues willen da verkehrten. Wie müde auch ihre Tiere waren, sie machten sich auf den Weg; aber unterwegs trafen sie auf Bauern, die sich wunderten, wo sie hin wollten, und als sie’s hörten, noch mehr, daß sie nichts davon wußten, was mit wendisch Zauchwitz vorgefallen. Hatten nämlich die von Waldow schon unlängst, als sie an den Bau gingen, sich mit den Stellmeisern vertragen, die dort in der Umgegend stark waren, daß sie den Bau nicht störten. Dies Jahr wollten sie aber den Schoß nicht zahlen, weil sie vermeinten, der Markgraf Ludwig werde ins Land kommen und dann werde ihr Schloß unter Dach und Fach sein und sie könnten den Räubern die Zähne weisen. Aber sie hatten sich verrechnet, der Markgraf kam nicht und die Mauern waren noch nicht hoch. Nun hatten die Stellmeiser ihren Boten ins Gesicht gelacht, als die mit dem Schoß zu spät kamen und ihn nicht genommen. Da wußte der Waldow, was die Glocke geschlagen, und eilends hatte er Weib und Kind und was sich auf Wagen packen ließ, nach Schloß Saarmund gebracht, noch um Tag und Stunde, ehe der alte Vertrag um war. Aber um den Glockenschlag, da er aus war, saß auch schon der rote Hahn auf dem Hause und die Stellmeiser hatten das Dorf geplündert und niedergebrannt bis auf die Höfe, so sich mit ihnen besonders vertrugen. Es glimmte noch letzte Nacht, sagten die Leute, und wunderten sich, daß die Reisenden nichts gehört; als man sich wundert, daß einer nichts von einem Kindtaufen hörte, der doch kommen mußte, wo das Kind geboren und da ist.
Die Sonne war nun längst schon Hinterm Kiefernwalde versunken, und da mußten die müden Tiere rasten, wo es war, und den Menschen tat’s auch not. Sie trafen auf einen alten, wüsten Hof. Dach und Balken waren nicht mehr da, aber steinerne Mauern, die den Reisenden Schutz gaben, daß sie ihre Wagen und Pferde unterbringen und die Feuer anzünden konnten, damit sie der Nachtwind nicht auswehte. Da regte sich bald ein geschäftig Leben; jeder wußte, was er zu tun hatte, denn wer auf Reisen ging, mußte wissen, wie man unter Gottes Himmel schläft. Da ward ausgepackt und abgeladen und aufgepackt. Die Knechte eilten mit den Schöpfeimern in das nahe Fließ, zum Trank für die Pferde. Andere schnitten Schilf zu Streu und rafften dürres Reisig zum Feuer. Auch schonte man nicht die alten Weiden, und die Axtschläge dröhnten durch die Abendstille. Mit Lebensmitteln und was zum Kochen und Braten nötig ist, waren sie wohl versehen. Denn was einer braucht, wo findet er das unterwegs, so er’s nicht mitbringt? Da brodelte bald ein Kessel überm Feuer, und an Spießen brieten Gänse, Schinken oder was es sonst war. Wer viel hatte, half dem anderen aus, und es fehlte nicht an Eintracht, so verschieden die Leute waren an Stand, Herkommen und Alter, Denn keiner forderte, und nahm einen besseren Platz, als der ihm zukam. Die nächsten Sitze ums Feuer nahmen die Geistlichen ein. Ihnen zunächst der alte Ritter, dem’s sehr zu Herzen ging, was seinem Freunde, dem Waldow, zugestoßen war: aber beim Essen merkte man’s ihm nicht an. Und auch der Frankfurter Kaufherr, aus der Familie Minus, hatte einen Vordersitz. Die anderen huckten hinter ihnen, oder wechselten ab, je wie es kam. Der Domherr, er war vom Havelberger Stifte, sprach den Segen vorher. Und als der Hunger und Durst gestillt waren, so gut es ging, hub das Gespräch an, und wer was wußte, erzählte.
Sie alle wollten nach der Stadt Brandenburg, die damals noch reich und blühend war, und es war dort ein großer Markt, wo die meisten Geschäfte zu machen halten. Daneben aber freuten sie sich auf die Predigten, die jetzt im Dom ein Kapuziner hielt, von dem viel Redens im Lande war. Er sollte absonderlich ausschauen, wenn er die nackten Arme erhübe und Zeter und Wehe über die Verderbnis der Welt schreie. Jeder hatte von ihm gehört, und wußte etwas zu erzählen. Wenn er von dem ewigen Flammenpfuhl spreche, darin sie alle glühen würden, sehe man in seinen Augen das leibhafte Höllenfeuer. Einmal seien ihm im Eifer die wahrhaftigen Funken aus den Augen gesprüht und auf das Wams einer Bürgersfrau gefallen; die habe nachgehends ein kleines Loch im Tuch gehabt und den Brandgeruch lange verspürt. Andere wußten, daß er vom Antichrist, der ins Land kommen werde oder gar den Untergang der Welt predige. Der geistliche Herr nickte dazu wohlgefällig:
„In den Zeiten der großen Verderbnis, wo es zum Ärgsten steht, und der Abgrund sich gleichsam vor den Füßen der sündigen Menschheit auftut, da schickt der Herr solche Prediger ins Land, die in Mark und Nieren reden: denn wo der Mensch taub ist vor Gottes Stimme und seiner Priester, erbarmt er sich noch einmal und tut Wunder, statt den Abgrund sogleich zu öffnen.“
Ein Dominikaner, der neben dem Herrn saß, meinte, es sei der Gnade fast zu viel.
Der Domherr hatte eben ein Fläschchen Malvasier den Knechten aus dem Flaschenfutter abgenommen und einen Becher damit gefüllt, um den Nachgeschmack der Gans, die er verzehrt, wegzuspülen. Er seufzte recht tief auf: „Die Kirche Christi ist in diesem Lande als wie ein Mensch in der Wüste. Räuber haben ihr die Ölkrüge zerschlagen, und wo sie klagen will, da sind keine Gerichte, oder die Räuber selbst sitzen auf den Bänken und lachen. Wie soll sie da bestehen? Sie muß verschmachten und aus gehen, als ein Baum, am Wasser gepflanzt, und das Wasser ist versiegt.“
Der Frankfurter Kaufherr schaute schelmisch den Domherrn an, dem vorn die Knöpfe des Gewandes beinahe rissen, so dick war er: „Hat auch der Müller kein Wasser mehr, der Pfaff hat doch immer Wein.“
Sie lachten und der Domherr mit, worauf das Gespräch und der Streit sich darum drehten, wer in den schlimmen Zeiten zum meisten leide und gelitten habe? Wenn die Leute darauf zu sprechen kommen, so will jeder recht haben. Wunderlich ist’s, aber es ist so. Will sich keiner nur so viel nehmen lassen, und sollte doch zufrieden sein, wenn er nichts hätte.
„Du Ritter hattest deine Burgen, du Bürger deine Stadtmauern, und der Bauersmann flüchtete in die Wälder und in die Sümpfe. Da konnten die litauischen Pferde nicht hin. Was hatten wir? Unser Gebet und die Fürsorge unserer Heiligen. Das sind zwei starke Waffen, wo Gottesfurcht ist, aber die ist nicht bei den Heiden. Darum hat der Klerus am meisten und schrecklichsten aushalten müssen.“
„Das ist schon recht“, sagte der zweite Krämer aus Frankfurt, der aber war kein Patricier. „Allein es heißt auch, wo nichts ist, braucht man keine Schlösser und Riegel. Nun mein‘ ich, sind die Heiden Erzdiebe und haben gewußt, warum sie in Läden und Truhen der Geistlichkeit brachen.“
Der Domherr blickte sich ein wenig verlegen um und jagte eine Mücke hinterm Ohre fort. Er wollte dann davon sagen, wie das Volk das bißchen Gut der Geistlichen immer noch zu hoch anschlage und nicht bedenke, welche Mühe, Angst und Nachtwachen die Seelsorge und das Horasingen koste; aber der Krämer ließ ihn nicht zu Worte kommen.
„Hochwürdiger Herr, den Geistlichen neidet auch keiner, was ihnen zukommt.“
„Was kommt uns denn zu!“ seufzte der Domherr, und er wollte alle die Decems aufzählen, die in den schlimmen Zeiten ausgefallen. Der Krämer aber fiel ihm wieder ins Wort:
„Armut, Keuschheit und Gehorsam, hochwürdiger Herr. Niemand will’s ihnen nehmen, und wahrhaftig auch die Heiden hätten ihnen das gelassen.“
Der Dominikaner machte ein sehr ernsthaft Gesicht, während die anderen lachten.
„Ihr lieben Herren und so Gott will gute Christen!“ hub er an. „Weshalb, frage ich, war der Heidengrimm so absonderlich gegen die Klöster und Stifte gerichtet? Weshalb wüteten siegegen Mönche, Priester, Nonnen so über alle Maßen? Um ihrer Untugend oder ihrer Tugend willen? — Wes Diener sind die Heiden? — Satans. Was haßt Satan am meisten und strebt es zu vertilgen von der Erde? — Die Gottseligkeit und den rechten Glauben. Wär’s ihnen nur um Gold zu tun gewesen und die kostbaren Steine der Meßröcke, die hätten sie rauben mögen sonder viel Mord und Totschlag. Weshalb nun metzelten sie mit ganz besonderer Lust die frommen Klosterbrüder, die heiligen Nonnen, die nicht das Schwert wider sie zückten, die nur auf den Knien zu Gott gesungen? Warum tauchten sie mit höllischer Lust die Arme gerade in deren Blut, und ließen es strömen in den Kirchen wie in einem großen Schlachthause? — Das war, weil Satan ihnen ins Ohr geflüstert: „Wenn ihr die Kirchen und ihre Diener austilgt, habt ihr mein Werk vollbracht, und das Land, das Gott gehörte, wird meines und euer. Das Gott verhüte! Amen!“
Er kreuzte sich und alle kreuzten sich mit ihm.
Darauf forderte er sie auf, mit ihm ein Ave zu sprechen für die armen Seelen der heiligen Blutzeugen aus jener Zeit. Wenn die Rede auf den Einfall der Litauer kam, war alles Auge und Ohr, und es war doch schon zwanzig Jahre her. Und die Märker hatten viel gelitten inzwischen, und viele Schlimmeres, als was die Heiden ihnen taten. Aber so ein furchtbar Gewitter dir einmal eine Scheune niederbrannte und dein Kornfeld verwüstete, daran denkst du länger als an die Jahre des Mißwachsens und der Teuerung und des Frostes, wo du selber die Schuppen abbrachst, um an ihrem Feuer dich zu wärmen. Die Historien aus jenen schrecklichen Tagen lebten im Volke, als wären sie gestern geschehen, und wurden nicht kleiner, nein sie wuchsen jeden Tag. Und wer die Gemüter fesseln wollte, der erzählte davon. Darum, daß er den Eindruck stärke, den seine Rede gemacht, erzählte ihnen jetzt der Dominikaner die Geschichte von der tugendhaften Nonne. Das Feuer war niedergebrannt, und sie horchten alle in tiefer Stille zu:
„Drüben an der Oder war’s in jenem Kloster — ja wo ist das heilige Gebäude itzo! Die Schirmvögte waren geflohen, die Mauern darum waren eitel Feldsteine und Mörtel. Der Herr hätte freilich können durch den Schrecken seiner Heerscharen sie behüten, daß die Feinde blind wurden und sich scheuten. Das war nun nicht des Herrn Wille. Vielmehr sprach der zur heiligen Katharina, die über dem Kloster war: „Diesen soll ihre Tugend die Waffe sein, daß sie ihre Keuschheit wahren!“ Und so geschah es.
Die Götzendiener brachen ein und heulten wie der Sturmwind durch die Höfe, die Kreuzgänge und die Chöre. Die alte Äbtissin stand mit allen ihren Nonnen, bis auf eine, am Hochaltar, sie sangen die heiligen Horas, und als die Litauer, die geschwungenen Säbel in der Faust, ins Schiff einbrachen, drängten sich alle um das Kruzifix, und eine jede faßte es an, und zur heiligen Märtyrerin Katharina hatten sie vorher gebetet, daß sie ihre Unschuld bewahre, und sie würdige, daß sie ihr Märtyrertum teilten. Und so kam es.
Alle wie sie dastanden, wurden von den Heiden niedergemetzelt. Alle starben als Blutzeugen für ihren Gott, keine verletzt, alle im Munde den heiligen Gesang, der mit ihnen starb, alle zu Füßen ihres Heilandes, der auch für sie geblutet hatte. Nur die eine nicht. Nun müßt ihr wissen, daß diese über die Maßen schön war, so schön, daß ihr Anblick die Andacht der Leute in der Kirche störte. Und deshalb ließ die Äbtissin den Chor, der doch schon vergittert war, noch mit einem Schleier verhängen, wenn die Schwester betete.
Als aber die Gefahr näher kam und die Schwesterschaft sich in die Kirche flüchtete, sprach die Oberin zu ihr: ,Gehe du nicht mit uns, Schwester Anselma, denn uns schützt wohl der Herr, unser Gott, dadurch, daß wir alt sind und gebrechlich, und die jung sind, begabte er, zu ihrem Heil, mit himmlischer Schönheit, aber nicht mit der, welche die Augen der sündigen Menschen reizt. Als wie nun im Leben schon deine irdischen Vorzüge manche abzogen von der Gottseligkeit, ja unsere Eintracht zu stören drohten, so wolle nicht, wo wir alle ins Verderben gehen, die sündige Lust erweckend, noch unsere heilige Sterbestunde stören. Und deshalb entlasse ich dich, kraft der Macht, die mir gegeben, aus unserer Gemeinschaft; flüchte dich wohin du magst, und ich wünsche dir alles Glück. Verbirg dich im Dorf, oder ziehe mit den Krämern, die über den Fluß schiffen; aber bleibe nicht bei uns, denn deine Schönheit ist uns allen verderblich.
Das kränkte die Nonne sehr. Und wenn sie vorhin den Lockungen des Bösen wohl bisweilen ein Ohr lieh, und eitel war auf ihr glattes Gesicht, jetzt wünschte sie, sie wäre häßlich gewesen als ein Scheusal; denn ihre Schwestern verstießen sie um ihrer Schönheit. Vergebens flehte sie die Äbtissin an. Die Zeit drängte. Da bat sie nur, die fromme Frau möge ihr ihren Segen geben.
Die Äbtissin legte ihre Hand auf den Scheitel der Knienden und sprach: „So wahre dich selber unter Gottes Beistand; und als wie er dir Schönheit verlieh, so verleihe er dir auch Klugheit, daß du dich und deine Reinheit ihm errettest, dem du angehörst.“ —
Die Nonne aber floh nicht; sie lag in ihrer Zelle vor ihrem Betpult, als wie ein Steinbild, und sie hörte den wüsten Lärm, den Gesang, die Axtschläge, die Metzelei, das Todesgeschrei, und konnte keinen Finger rühren. Nun ward es still; nur noch einzelnes Röcheln hallte durch die Gemächer. Und dann verteilten sich die Mörder durch die Zellen und Kreuzgänge, um zu suchen, was ihre Habgier stille.
Sie hörte die Fußtritte des einen, wie er die Treppe herauf kam, bei Zelle und Zelle die Türen mit dem Fuße aufstieß, und nun war er an ihrer. Mit dem Fußtritt, der das Türlein sprengte, war es als bräche die Erstarrung der frommen Nonne. Das Blut pulste ihr wieder durch die Adern. Der Herr war bei ihr, sie wußte es. Und so häßlich der Barbar ausschaute, mit Blut und Schmutz und Staub besudelt, sie erschrak nicht. Er aber erschrak, als die Schwester sich aufrichtete, ein so schön Weib, als er im Leben nicht gesehen, und ein Heller Schein um ihr Haupt. Fast wäre ihm das Schwert aus der Hand gefallen, als sie festen Schrittes auf ihn zutrat:
„Ich weiß, worum du kommst, und ich bin dein, mit allem was mein ist, nach dem Recht des Krieges. Nimm’s, wenn du Lust hast, denn du siehst, ich bin ein schwaches Weib und kann mich nicht verteidigen. Aber wenn du’s nimmst, was bleibt dir davon als die Lust des Augenblicks; und wenn du mich fortschleppst, gehöre ich nicht mehr dir allein, sondern allen deinen Gesellen. Aber so du verständig bist und den Handel eingehst, den ich dir vorschlage, so will ich dir etwas bieten, das dir dein Lebelang bleibt, und du wirst ein großer Krieger werden unter deinem Volke.“
So sprach sie und der Litauer hörte verwundert; so hatte er noch nie ein Weib sprechen hören. „Ich weiß,“ fuhr sie fort, „geheime Künste und habe einen großen Zauber, so ich den brauche, kann kein Stahl mich töten, noch wund machen. Denn du sähest mich sonst nicht hier lebendig vor dir stehen, da ich gefallen wäre mit meinen Schwestern unten in der Kirche. Aber der Zauber hält nur so lang ich eine reine Jungfrau bin. Um deshalb schone mein und ich teile dir den Zauber mit und verrate dir, wie auch du unverwundbar wirst.“
Der Litauer stierte sie gar verwundert und lüstern an. In seinem Sinn kämpfte die Lust um das schöne Mädchen und um den Zauber. Da sie’s merkte, sprach das kluge Weib, aber die Klugheit kam von der heiligen Katharina und nicht von ihr: „Versuche es an mir selber, ob mein Zauber etwas gilt. Siehe, ich knie vor dir nieder und ich habe dieses Kruzifix in den Händen, und wenn ich die Worte gesprochen, die ich dich lehren will, dann schlage mit deinem scharfen Schwerte aus allen Kräften, als ob du mich köpfen wolltest, und du wirst sehen, es fließt kein Töpflein Blut, ob ich doch keinen Panzer um den Hals trage, als die Worte: In manus tuas, domine, commendo spiritum meum.“ Da schlug der wilde Litauer, den die heilige Katharina blendete, mit beiden Händen zu; aber wie entsetzte er sich, als der Kopf der Schwester Anselma vor seinen Füßen rollte und ein dicker Strom Blutes ihm zu Gesicht stieg. Da gingen dem Heiden die Augen auf, und als er nachgehends gefangen ward, ließ er sich von einem christlichen Priester taufen.
Uns allen aber sollten die Augen aufgehen und lernen sollten wir aus der Geschichte, daß wir um unser Seelenheil willen nichts zu teuer achten dürfen und sprechen: commendo in manus tuas, domine, spiritum meum; das heißt: Meinen Geist, Herr, gebe ich in deine Hände; was du tust und deine heilige Kirche durch ihre Diener befiehlt, dem will ich gehorsam folgen.“
Ob die meisten auch die Geschichte schon kennen mochten, hatten sie doch aufmerksam zugehört. Es war eine der Historien aus der Schreckenszeit, die von Mund zu Munde gingen, und jeder, der sie erzählt, tat das Seine hinzu, und deutete sie als er Lust hatte. Sie war schon durch ganz Deutschland und die Nachbarländer gewandert; und wie sie zurückerzählt wiederkam, da glich sie wenig dem, wie sie ausging. Wußte man doch kaum mehr den Ort, wo sie vorfiel, und die Namen der Personen. Aber es ist eine Geschichte, die zu jedes Ohr klingt. Sie schauten still vor sich nieder.
„Das ist wenigstens vorüber. Gott sei gelobt!“ sagte der alte Ritter nach einer Weile.
„Aber was ist nun?“ sprach der Domherr. „Ist’s deren besser? Schaut’s nicht bei uns aus, als wenn wir noch in einem Heidenlande wären?“
Wenn die geistlichen Herren darauf kamen, wußte jeder, was die Glocke schlagen würde. Da wurde Zeter und Wehe geschrien über die Berliner, die den Propst von Bernau, den Nikolaus, vor ihrer Marienkirche erschlagen. Der Bann von Magdeburg und Rom hatte dafür schwer auf ihnen gelastet, und mit großen Summen und harten Büßungen hatten sie erst vorletzt sich losgekauft und waren losgesprochen worden.
„Ja, viel fromme und kluge Leute außerhalb erwarteten, das Meer solle austreten und diese Marken fortschwemmen wie Sodom und Gomorrha.“
Wer da erwartet, daß die Zuhörer in die Verwünschungen des Mönches einstimmten, der ging irre. Sie kannten das, und dachten, was jeder Lust hatte; aber gewiß nicht das, daß die Mark Brandenburg untergehen müsse um ihrer Sünden willen.
Als aber der Mönch davon sprach, wer der Quell alles Übels sei, und das wäre ein Fürst, der im Bann liege und sich nicht um den Bann bekümmere, und ein Landesherr, der sich nicht um sein Land kümmere, da gewannen die Gesichter anderen Ausdruck, da nickte ihm der eine zu und der andere stieß einen Fluch über die Lippen.
»Gottes Gnade ist groß!“ rief der Mönch. „Der Herr wird sich auch dieser verlassenen Lande erbarmen um der wenigen Frommen willen, gleich wie er sich des heiligen römischen Reichs erbarmte. Mußte nicht jener sakramentsschänderische Kaiser Ludwig in der Blüte seiner Sünden sterben, um dem frommen Karl von Böheim Platz zu machen, der die Kirche ehrt und liebt? Darf ein Kaiser dulden, daß ein deutsch Land einen Markgrafen hat, der sein Land nicht schirmt, sondern fortläuft, wenn es ihm schlecht geht?“
„Gleich wie eine unnatürliche Mutter,“ fiel der Domherr wieder ein, „die ihr Kindlein im Stich läßt, wenn der Wolf kommt. Wären wir nicht itzt alle litauisch, oder Gott weiß was, so wir nicht in den Chören und Konventen auf hartem Boden gelegen, tagaus, tagein, und Gott mit Händeringen und wunden Knien gebeten hätten, daß er das von uns wende.“
Der Frankfurter Herr, er hieß Eike Winns, hatte bis da ruhig gesessen und wenig mitgesprochen, obwohl es in seinen Augen manchesmal gar wundersam aufflammte, wenn die Geistlichen gegen das Land und die Ketzer schmähten. Aber er hatte anderes vor, was dem Menschen mehr not tut als Sprechen. Er war ein starker Mann, der sein Maß trinken mußte und essen, und er hörte nicht früher auf und ließ sich nicht gern stören, denn er meinte, wer tüchtig leben will, muß kräftige Nahrung haben, und ein Mann, der nur halb isset, lebt auch nur halb. Aber ihm war es nicht in den Bauch allein gegangen, wie dem geistlichen Herrn, sondern jeder Teil des Leibes hatte sein Teil abbekommen, so der Fuß und Arm wie Mund, Nase und Auge. Man sah’s ihm an, daß er was war. Der hatte jetzt aufgespeist und rückte sich, um zu fühlen, ob es genug sei. Dann sprach er:
„Mit Vergunst, hochwürdiger Herr! Ihr hättet lange beten können und hättet die Litauer doch nicht fortgebetet, so wirs nicht waren. Wir, ja, wir allein! Das heißt wir ohne euch. Wir, als man sagt, von Gott und Menschen verlassen, taten uns damals zusammen, der märkische Landsturm war’s. Da klang die Glocke, wo noch Glocken waren, von Burg zu Burg, von Dorf zu Dorf. Herr, du mein Erlöser, das war doch ein Lärm, da wir die Polacken Hinaustrieben und die Litauischen zum Teufel jagten! Wie muß eure Andacht da groß gewesen sein, daß ihr das nicht vernommen, und meint, euer Beten hätte es getan.“
„Schickungen des Herrn, deren man nur in Zerknirschung gedenken sollte,“ sprach der Dominikaner.
„Ei,“ rief der Frankfurter Herr, „daran gedenk‘ ich mit Freuden mein Lebtag lang. Wie sie zu Hunderten kamen, und aus den Hunderten wurden tausend, und aus den Tausenden viele tausend. Helle Gesichter, Tod und Rache sprühte im Auge, Alte und Buben, mit was Wehr und Waffen jeder auftrieb. Die Schmiede hatten gut Arbeit; die Feinde bezahlten’s. Das war Einigkeit damals, eine schöne herrliche Einigkeit. Der Ritter drückte dem Bürger die Hand. Der Bauersmann schwang sich vom Ochsen aufs Pferd und ward zum Ritter. Gegen Heiden ist alles gut. Nicht wahr, Gott war mit uns, als wir die Mordbrenner über die Oder jagten und die Märker ihnen nach? Wie ihre Fahnen im Wasser spiegelten! So viel Fahnen sah man seit den Tagen Woldemars nicht beisammen. Das war ein schöner Tag, wo die Junker ihre Burgen und Zölle und Straßen vergaßen und nur ans gemeine Land dachten. Und dann drüben die Jagd in der Neumark, zu beiden Seiten der Warthe. Die floß manchen Tag blutig rot, als ihr es vorhin wünschtet, von Heidenblut; und mancher Litauer und Pole schwamm mit, von der Warthe in die Oder, und die Oder warf ihn im Bruch auf die Wiesen aus. Hatte es ihnen so gefallen bei uns, wo’s nicht lebendig ging, kehrten sie tot wieder.“
„Soli deo gloriam!“ sprach der geistliche Herr, die Hände kreuzend, und neigte sich. „Aber’s wird kalt. Joseph, die Wildschur!“
„Gott die Ehre! Das versteht sich,“ fuhr der Frankfurter fort, „aber den märkischen Fäusten doch auch. Die schlugen, wo sie trafen, und fragten nicht wen. Soli deo gloriam, ihr frommen Herren; aber wem die Schande? Wem der Fluch für die sechstausend armen Seelen, die sie in schreckliche Knechtschaft mitschleppten, und sie verkommen ließen in ihren Wäldern und Morästen?“
„Der Herr wird ihn finden und strafen, den Belia! —“
Und der Domherr wollte in die alte Litanei wider den Markgrafen Ludwig einfallen, aber der Frankfurter fiel ihm boshaft lachend ins Wort:
„Haben ihn schon gefunden, der Herr zeigte uns den Weg. Zogen wir Frankfurter in hellen Haufen, soli deo gloriam singend, unter unserem wackern Voigte Hermann von Wulkow vors Haus unseres frommen Bischofs in Göritz. Hätte gescheiter getan, er wäre mit seinen Freunden ins Heidenland gezogen. Heizten ihm ein, und’s ward ihm zu warm, als sein Palast brannte und das Weihwasser siedele, damit er die Götzendiener besprengt. Ihr Herren, das war ein schöner Tag, als er sich ergeben mußte! Gehört in die Chronika für ewige Zeiten. Uns Frankfurtern zu Ehren des brandenburgischen Volkes, für das wir Rache genommen. Und er saß eng und warm, der Herr Bischof Stephan, wahrhaftig. So eng und schwül ward ihm, daß er himmelhoch flehte, wollte nie wieder mit Götzendienern einen Bund schließen, und die Heiden ins Land rufen!“
„Gebenedeite Mutter Gottes!“ rief der Dominikaner. „Und des rühmen sie sich!“
„Des rühmen wir uns, allen Glatzen zum Trotz!“ riefen die Frankfurter.
Da wär‘ es schier um die Eintracht geschehen gewesen, und die zusammen waren, um sich zu schützen vor den Räubern, es war nahe daran, daß sie sich selbst in die Haare gerieten. Es war unrecht von den einen und von den anderen, denn was die Frankfurter zu Göritz getan dazumal, wußte jedes Kind, und daß sie seit zwanzig Jahren drum in Bann und Interdikt lagen. Und es ward viel verhandelt deshalb in Rom und Magdeburg und auf den deutschen Reichstagen, aber noch war nichts ausgerichtet, und die Bischöfe von Lebus lebten außer ihrem Sprengel, und mehr als einer starb, ohne sein Land gesehen zu haben, als Flüchtlinge in Breslau, wo sie auch begraben liegen. Aber es war nicht klug und gut, daß man das aufrührte, wo unterschiedliche Leute zusammenkamen, die sich nicht genau kannten. Man schwieg lieber davon und tat, als wisse man’s nicht. Aber wer schließt einem Mönch das Maul, wenn er fluchen will, und wer gebietet einem Kaufmann, der auf seinen Goldstücken sitzt, daß er still sei! Da riefen die Geistlichen Zeter und Wehe über Bürger, die zwanzig Jahre nicht Meß und Sang hörten und sich dessen noch rühmten: die Frankfurter aber schrien, da sie mit den Heiden fertig geworden, wollten sie’s auch mit dem Interdikt werden. Ohne den alten Ritter wär’s zum ärgsten gekommen.
„Plagt euch der Teufel,“ rief er dazwischen, „daß ihr euch darum zanken müßt! Ist die Schwerenot nicht ohnedem im Lande und wollt sie noch aus den Gräbern auswühlen! Ihr Pfaffen solltet doch zufrieden sei», daß man euch die Schüssel mit dem vollen Brei läßt, wo wir die dünne Grütze mit dem Löffel zusammenkratzen. Was scheren euch Havelberger die Frankfurter? Seid zufrieden, daß euch eure noch den Zehnten geben. Die Pfaffen in Frankfurt können Hungers sterben wie die Kirchenmäuse; kriegen keinen roten Heller seit dem Interdikt und wünschten’s zu den sieben Teufeln. Und ihr von Frankfurt, könnt ihr denn nie das Maul halten? Eure Kisten und Läden sind voll, seid die Glatzköpfe los, was wollt ihr denn noch? Seid zufrieden und laßt andere ehrliche Leute zufrieden. Ist’s doch ’ne Sünde und Schande, daß in der Elendszeit die zumeist das Maul voll nehmen, die im Vollen sitzen. Wenn ihr klagen wollt mit den dicken Wänsten, was sollen wir tun, die an den Knochen nagen? Herr du mein Heiland, das fehlte noch zu der Plackerei und Schinderei, daß wir uns ums Pfaffenregiment stritten, wo gar kein Regiment ist! Ordnet lieber die Wachen an und legt euch aufs Ohr, denn wir hatten einen sauren Tag, und morgen kommt noch einer.“
Da ward es still zu beiden Seiten. Es war ein weiser Rat. Einer stand um den anderen auf und wandten sich den Rücken, und was sie noch brummten, das ging in den Nachtwind über, der im Rohr summte. Die Nacht war angebrochen. War es schon eine linde Frühlingsnacht und der Mond schien am blauen Himmel, so war es doch eine Nacht in einem Lande, wo keiner auch bei Tage sich aufs Ohr legte, ohne daß er ein Auge aufbehielt. Die Posten wurden ausgestellt und, wie sie sich ablösen sollten, besprochen. Dazu hatten die Knechte eine Art Verschanzung aufgeführt, wie es sich in der Eile tun ließ, von Bäumen, die sie quer über die Wege gelegt, mit stachlichtem Reisig und die Karren dahinter. Den Hauptschutz aber boten die Mauern des alten Gehöftes, das auf einer Höhe lag, und von der einen Seite war das Fließ darum. Und zum Zeichen, daß hier Leute weilten, die wach waren und gewärtig jedes Angriffs, prasselte das Feuer itzt wieder zwei Mannshoch in die Nachtlicht, und die Raubvögel kamen angezogen und Scharen von Mücken. Die störten aber diese Leute so wenig wie der Tau, der ihre braunen Gesichter naß machte. Man hörte bald nicht mehr Gespräche oder Lieder, sondern ein Schnarchen so laut und voll, daß die Frösche im Graben, die doch Lärm genug machten, darüber stumm wurden.
Nur unter einem Überdach im Winkel des Hofes, wo die Knechte des geistlichen Herrn ihm ein Lager bereitet, gut genug für die Gelegenheit, waren sie noch im leisen Gespräch. Der Dominikaner saß davor und neigte den Kopf, derweil der Domherr seinem Unmut über das, was er vernehmen müssen, unter vielem Gähnen Luft machte, und also schloß:
„Und schier aus der Haut zu fahren ist’s, daß Leute das ruhig anhören und mit ihnen verkehren, und wir müssen’s dulden, Leute, die da Christen heißen und die Sakramente nehmen und in die Kirche gehen.“
„Hochwürdiger Herr“, unterbrach der Dominikaner, „sie zahlen auch richtig ihre Zehnten.“
„Das ist schon gut. Lieber, und dagegen will ich nichts sagen; aber ich sage es doch und sage es noch, dies märkische Volk, bei diesen Brandenburgern, es ist nicht so, als es sein sollte. Keine rechte Ehrfurcht, kein Glaube aufs Wort. Als wäre die heilige römische Kirche hier auf Sand gebaut.“
„Es wird vielleicht besser werden.“
„Es war auch ehedem nicht gut bei den alten Fürsten. Wie hielten sie an den schwäbischen Kaisern, und Bann und Interdikt, weiß Gott, warum sie hier nie recht einschlagen wollen, ’s ist wahr, den Zehnten bezahlen sie, aber immer müssen sie was Eigenes denken und meinen und widersprechen.“
„Man muß, Hochwürdiger, den Brandenburger anders fassen als die Deutschen im Reich. Der Abt Nikolaus von Bernau, Gott habe unseren Märtyrer selig, ging zu rasch zu Werke.“
„Wird’s denn jetzt gelingen, diesen bayerschen Ketzer —“ der Domherr sprach es leiser und blickte sich vorsichtig um. Ebenso vorsichtig sprach der andere:
„Wo das Gebet so hoher frommer Kirchenfürsten und großer Herren bei dem Werke ist, muß doch endlich was draus werden.“
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