Home Omas Rezepte Hoppel-Poppel – 1823 – Bremisches Kochbuch von Betty Gleim

Hoppel-Poppel – 1823 – Bremisches Kochbuch von Betty Gleim

by de olde Grotmüdders

Betty Gleim schrieb in die 3. Auflage ihres  Kochbuches über die eigenständische Bremische Küche auch Zubereitungsanweisungen für Alkoholisches. Neben etlichen Zubereitungsideen für Punsch (Nationalgetränk der Küstenbewohner und Seeleute?) und wie man mit Kaffee umzugeben hat (ist hier bereits im Blog zu lesen) fand sie auch „Schnellrezepte“ durchaus erwähnenswert.

Ich stelle mir gerade vor, der Nachbar aus dem Dorfe irgendwo um Bremen herum, klopft 1819 am Abend um Clock 8 in stockfinsterer Nacht an die dicke, hölzerne Haustür, er hat eine Laterne in der etwas erhobenen Hand, sein Bart ist weiß angefroren und sein Atem weht ihm in hellen Wolken um den Kopf, der mit einer Wollmütze bedeckt ist, deren abgeknickte Spitze gerade so über den hochgeschlagenen Mantelkragen herausragt.

Na, so einen durchgefrorenen Mann lässt man doch nicht in der Kälte stehen. Zumal wenn man ihn kennt. Man bittet ihn herein und bietet ihm ein wärmendes Getränk an. Schließlich ist er die nicht unerhebliche Entfernung von seiner Hofstelle her durch die kalte – vielleicht regnerische – Nacht aus ausgetretenen Wegen herübergestapft und …..
… wir wissen, er bleibt nicht über Nacht, er muss wieder zurück zu seiner Familie oder seinem Herren, wer auch immer ihn geschickt hat.

Was macht die Hausfrau, Köchin mit dem Überraschungsgast?
Brot und Wurst sind in der Vorratskammer. Einen Kühlschrank braucht es zu dieser Jahreszeit sowieso nicht und Strom ist um 1823 auch noch ziemlich knapp, wenn es nicht gerade aus heiterem Himmel herniederblitzt.
Zu Essen ist genug im Hause. Aber soll der gute Mann dazu etwa einen Krug kühles Wasser erhalten?

Nein !
Gott sei Dank, hat die herzensgute, um das Wohl ihres Sohnes bedachte Schwiegermutter ihr erst kürzlich ein Exemplar des „Bremischen Koch- und Wirtschaftsbuches“ der guten Betty Gleim  geschenkt.  Da steht doch bestimmt etwas drin.
Den Kerzenhalter geschnappt, den Nachbarn gebeten, dass er sich bequem in die Nähe des Ofens hinsetzen möge,  fluchs die Kerze entzündet und ab in die Küche, die Kerze auf den Tisch und das Buch aufgeschlagen. Da war doch was. Flink die Seiten durchgeblättert,  weiter hinten im Buch wird sie gottlob schnell fündig.
Das Wasser im Schöpftopf auf dem Ofen ist immer heiß, zumindest bis zur Nachtruhe. Die Hühner haben sie heute früh auch nicht im Stich gelassen. Eier sind ausreichend im Haus. Der letzte Einkauf in Bremen beim wohlsortierten Colonialkaufmann ist auch erst kürzlich passiert, der Candiszucker reicht demzufolge auch. Rum ist sowieso immer im Haus, dafür sorgt ihr Mann sich besonders und erwartet von ihr diesbezüglich allerhöchste Aufmerksamkeit.
Nichts fehlt und im Kerzenschein liest sie in Betty Gleim’s Buch der Anweisungen für einen sorgenfreien Hausfrieden das Wort „Hoppelpoppel“.
Das klingt gut.
Dem durchgefrorenen Nachbarn wird nach einigen dieser Schnellgetränke sicherlich bald warm und auch sein Rückweg dürfte ihm beschwingter vonstatten gehen, wenn er so richtig auf- und durchgewärmt nach Hause hoppelt.

Hier das Rezept, welches die überraschte Hausfrau in der Küche herzauberte und den Nachbar glücklich genug stimmte, dass er den Grund seines Besuches, weitere Neuigkeiten und darüber hinaus womöglich dem neusten Klatsch weitertratschte, ehe ihn die anderen Nachbarinnen vor ihr erfuhren – aus erster Quelle und mit dem Versprechen  nichts weiter zu sagen.

In so eine Situation kann schließlich jede ehrbare Hausfrau kommen und sie sollte wissen, was dann zu tun ist.
Wir üben das jetzt und machen es ihr also nach.
Hoppelpoppel machte schon um 1823 einen Zufallsbesucher zufrieden und war ganz einfach hergestellt.
Was ja auch schon damals nicht unwichtig war.

Hoppelpoppel
Man schlägt je Portion mit einer Ruthe
1 Eidotter,
1 Eßlöffel voll gestoßenen Candis,
2 Eßlöffel  voll Rum  und
2 Eßlöffel voll heißen Wassers
in einen irdenen Becher oder ein Henkelglas
und serviert es sehr warm.

1823 lebte Störenfried Napoleon zwar schon fast 2 Jahre nicht mehr, aber die Versorgung mit Südfrüchten war deshalb nicht erfreulicher gesichert als zu seinen Kriegszeiten, was bedeutet, dass z.B. Zitronen auch jetzt noch nicht jederzeit und überall verfügbar waren.
Viele Rezepte – auch aus dieser Zeitspanne des frühen 19. Jahrhunderts – gehen von einem ausreichenden Vorrat an Zitronen aus.
Also so war das natürlich nicht. Insbesondere war Norddeutschland weit weg von Süditalien und der Transport aus dem tiefen Süden musste durch endlos viele Kleinstaaten, in denen Regenten von den Kaufleuten Zoll und Stapelgebühren verlangten . Ein zusammengehörendes Deutschland oder ein Deutsches Reich war noch nicht in Sicht.  Im Norden – somit auch in Bremen – waren die Waren aus Südeuropa also knapp und deshalb ziemlich teuer.

Ich erwähne dies, um einmal klarzustellen, warum im Hoppelpoppel keine Zitrone vorkommt.
Sie war schlichtweg ein Luxus und bei den sogenannten „kleinen Leuten“ sowieso nicht auf dem Küchentisch zu finden. Wer die DDR und das Problem Banane oder Ananas noch einzuordnen weiß, der ist informiert und kennt sich mit leeren Regalen oder einem nicht einmal vorhandenen Angebot aus. Die höhergestellten Herrschaften hatten andere Möglichkeiten.

Der oben angeführte Nachbar war bei seinesgleichen, vielleicht sogar in einem ebenfalls zitronenlosen Privathaushalt einer Köchin oder Wirtschafterin eines herrschaftlichen Haushalt „hereingeschneit“. Doch wehe, sie – als Dienstmagd – hätte sich an den Vorräten der Herrschaften bedient. Wenn sie’s aber regelwidrig getan hätte, dann wäre dies dem zufälligen Besucher ganz sicher nicht durch Zitronengeschmack im Verlegenheits-Hoppelpoppel offenbart worden.
Auch um 1820 herum waren Hausfrauen nicht dumm.

Sagt mal ehrlich, ist das nicht eine anschauliche Geschichte um ein Rezept von 1823?
Hab ich von unserem „Piefke“. Das Rezept ist originalgetreu. Ein Prosit darauf.
Eure Gitti.
01.12.2020


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