Vom König nicht erlaubter Beischlaf kostete 1806 ein Vermögen oder brachte sogar Knast ein.
Wahrlich, ich sage Euch: „Das Weihnachtsfest steht wieder einmal vor der Tür.“
Schaut nach, es ist wahr.
Wie jedes Jahr werden deutschlandweit ausgerechnet zu dieser gefühlsschwubbeligen Zeit Ehen auf den Prüfstand gestellt, Beziehungen abgewogen und folgenschwere Zukunftsentschlüsse gefasst, die nicht gerade selten den sich in Sicherheit wiegenden Lebensgefährten vollkommen überraschen.
Reichlich oft ziehen Eheleute die Notbremse, weil sie das nebeneheliche Doppelleben des Partners nicht länger klaglos tolerieren wollen.
Viele Beziehungen sind seit langem so ramponiert und alle Jahre wieder werden endgültige Konsequenzen gezogen, die dann schnell und zielstrebig in die Realität umgesetzt werden.
Wer hat nicht davon gehört, dass gerade jetzt die eine oder andere Ehe im weiteren Bekanntenkreis ihr endgültiges Aus gefunden hat.
Aber heute ist der Ehebruch vor der Ehe nicht mehr strafbar und kann zumindest ohne staatliche Sanktionen in aller Öffentlichkeit ausgelebt werden.
Das war früher ganz anders.
Noch bis in die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts gab es Probleme mit dem vorehelichen Vergnügen der Leibeslust und wer dagegen nicht einschritt, der wurde als Kuppler / in gebrandmarkt und wurde bestraft.
Wegschauen und dabei erwischt zu werden war teuer. Unverheiratete, die in einer Wohnung mit nur 1 Schlafzimmer zusammenwohnten, brauchten einen guten Schutzengel. Ihr Vermieter u.U, auch.
Das war schon richtig fürchterlich.
Aber es geht noch schlimmer und per komplizierter Preistabelle, die aber auch nichts ausließ, bis ins Detail ausgezeichnet:
Ihro allergnädigste Hoheit erließ 1806 für seine Untertanen und zu deren Schutze folgendes Dekret, um liderliche Sitten und ausuferndes Verhalten – wirtschaftlich tatsächlich meist zum Nachteile der Weibsbilder – im Zaume zu halten und sich wegen seiner unendlichen Weisheit von ihnen anhimmeln zu lassen.
Mich spricht § 16 am meisten an, regelt der Erlass hier doch tatsächlich, wann die liebestolle Ehebrecherin noch kopulieren darf. In den folgenden Regeln wird sogar noch definiert, wer das kontrollieren darf?
Geht’s noch?
Der allergnädigste “Friderich” ließ im Jahre 1806 seinen der Fleischeslust illegal frönenden Untertanen also ins Stammbuch schreiben, wie er es von diesem Tage an “reichsweit” in seinem königlichen Sinne geregelt haben wollte:
Unsern Gruß zuvor, Lieber Getreuer!
Da bisher in einzelnen Theilen Unseres Königreichs die fleischlichen Verbrechen verschiedenartig bestraft worden; so wollen Wir zu Erzielung einer durchgängigen Gleichförmigkeit, unter besonderer zu Grundlegung des General – Rescripts vom 31. Zenner i795, für die Zukunft folgendes festgesetzt haben:
§. 1.
Der erste uneheliche Beischlaf ist mit einer Geldbuße zu ahnden, und zwar:
a.) wenn das Vermögen der Schuldigen zur Zeit des begangenem Vergehens unter 500 fl. beträgt, mit 20 fl.
b.) Bei einem Vermögen von 500 fl. bis 1000 fl mit 25 fl.
c.) Bei größern Mitteln ist der Straf-Ansatz mit 5 fl. für jede 1000 fl. zu erhöhen, jedoch
d.) daß solcher die Summe von 50 fl. nicht übersteigt.
§. 2.
Bei dem zweiten unehelichen Beischlaf findet der doppelte Straf-Ansatz Statt, und zwar ist derselbe nach dem Vermögen der Schuldigen zur Zeit des begangenen Vergehens zu bestimmen, folglich
a.) wenn dasselbe unter 500 fl. betragt, mit 40 fl.
b.) Bei einem Vermögen von 500 fl. bis 1000 fl. mit 50 fl.
c.) Bei großem Mitteln ist derselbe mit 10 fl. für jede 1000 fl. zu erhöhen, jedoch
d.) darf solcher die Summe von 80 fl. nicht übersteigen.
§. 3.
Bei Bestrafung des zweiten unehelichen Beischlafs sind folgende Vorschriften zu beobachten:
1.) wenn wegen des ersten Vergehens die Strafe ganz, oder über die Hälfte entweder baar oder durch Accord, oder durch Abverdienen in Herrschaftlichen Geschäften berichtigt ist, so findet der doppelte §. 2. angezeigte Straf-Ansatz Statt.
2.) Ist die Strafe wegen des ersten Vergehens zwar angesetzt, aber noch nicht über die Hälfte berichtigt; so ist bei dem zweiten Fall die einfache Scortations-Strafe ohne Erhöhung zu wiederholen, und Unsere Königliche Beamte haben für den Einzug beider Straf-Posten zu sorgen.
3.) Ist auf das erste Vergehen noch keine Strafe erkannt worden, und eine solche Person kommt das zweitemal vor; so ist derselben die einfache Scortations-Strafe mit einem Additament von einer kleinen Frevel bei 20 fl. von 5 fl., bei 25 fl. und bei größeren Mitteln so anzusetzen, daß das Additament für jedes 1000fl. Vermögen um eine kleine Frevel wächst, jedoch daß die Scortations-Strafe mit Einschluß des Additaments, die Summe von 70 fl. nicht übersteigt.
§. 4.
Neben diesen Geldbußen, ist von jedem Gulden ihres Betrags
a.) 3 kr. am Taxe, und
b.) als Surplus für das Zucht- und Arbeits-Haus zu Ludwigsburg ebenfalls 3 kr. anzusetzen und beizutreiben.
Unsere Königliche Beamte haben in Gemäßheit der General-Rescripte vom 27. Juni und 2. August 1756 das Surplus vierteljährig an den Zucht- und Arbeitshaus-Pfleger zu Ludwigsburg einzusenden, und ist ihnen
c.) für den Einzug des Taxes von jedem Gulden seines Betrags 6 kr. als Schreibgebühr, von den Schuldigen zu bezahlen.
§. 5.
Für die dritte Scortation ist
I.) den Mannspersonen
1.) wenn beide bisherige Strafen, und zwar die doppelte über die Hälfte berichtigt ist, wieder die doppelte ihrer Vermögens-Klasse mit einem Additament von 5 fl. in der ersten, 10 fl. in der zweiten, und sodann von jedem Tausend des Vermögens 5 fl. anzusetzen, jedoch daß die Strafe mit dem Additament nicht 130 fl. übersteigt.
2.) Haben sie aber die angesetzte Strafe noch nicht so weit berichtigt; so ist blos die doppelte Strafe zu wiederholen.
3.) Ist ihnen nur die erste Strafe angesetzt worden, welche sie ganz oder über die Hälfte berichtigt haben, auf den zweiten Fall aber die Strafe noch nicht erkannt worden; so findet bei dem dritten blos die doppelte mit einem Additament von 5, 10, 15 fl. etc. Statt, bis auf die Summe von 90 fl.
4.) War hingegen auch die erstere zwar angesetzt, aber nicht über die Hälfte berichtigt, so wird blos die doppelte angesetzt.
5.) War aber die erstere gar nicht angesetzt, so findet nur die einfache Scortations-Strafe mit einem Additament von 5, 10 und 15 fl. etc. Statt, bis auf die Summe von 80 fl.
6.) Wegen des Taxes, Surplus und Schreibgebuhren ist die §. 4. ertheilte Vorschrift zu beobachten.
§. 6.
II.) Bei Weibspersonen soll der dritte uneheliche Beischlaf, wenn die doppelte Strafe bereits über die Hälfte berichtigt worden, mit dreimonatlicher Arbeit in Herrschaftlichen Geschäften geahndet, in den übrigen Fallen aber es mit ihnen wie mit den Mannspersonen §. 5. Nro. 2. 3. 4. 5. gehalten werden.
§. 7.
Bei dem vierten unehlichen Beischlaf sollen, wenn die vorhergehenden Vergehen bestraft worden, die Weibspersonen mit viermonatlicher, und die Mannspersonen mit zweimonatlicher Arbeit in Herrschaftlichen Geschäften belegt werden.
Sind aber die vorhergehenden Vergehen entweder gar nicht, oder nur zum Theil geahndet worden; so ist nach den, in den vorhergehenden §§. enthaltenen Festsetzungen die Strafe durch den Ersten Senat Unseres Ober-Justiz-Collegii analogisch zu bestimmen
§. 8.
Bei dem fünften und weitern unehelichen Beischlaf sollen stärkere Leibes-Strafen, nach Beschaffenheit der Umstände, eintreten.
§. 9.
Der Beischlaf zweier Personen, die gesezmäßig ehelich verlobt sind, wird nur in dem Falle, wann die Untersuchung noch vor vollzogener Ehe Statt findet, bestraft, und zwar auf folgende Art:
1.) wenn das Vermögen der Schuldigen zur Zeit des begangenen Beischlafs unter 500 fl. beträgt, mit 7 fl. 30 kr.
2.) Bei einem Vermögen von 500 fl. bis 1000 fl. mit 10 fl.
3.) Bei größern Mitteln ist der Straf-Ansatz mit 3 fl. für jedes 1000 fl. zu erhöhen, jedoch
4.) darf derselbe nicht die Summe von 20 fl. Übersteigen;
5.) wegen des Taxes, Surplus und Schreibgebühr findet die §. 4. gegebene Vorschrift Statt.
§. 10.
Denjenigen Personen, welche zum zweitenmal den frühen Beischlaf begehen, nachdem sie das erstemal abgestraft worden sind, ist die doppelte Strafe nach Verhältniß des Vermögens, und unter Beobachtung der §. 1. 2. in Absicht der Scortationen festgesezten Modifikationen anzusetzen.
§. 11.
Wenn eine gesezmäßig verlobte Braut oder ein verlobter Bräutigam mit einer ledigen Person Unzucht treibt; so ist blos die gewöhnliche Scortations-Strafe, jedoch bei dem Verlobten mit einem Additament von 5, 10 und 15 fl. anzusetzen.
§. 12.
Der erste Ehebruch, er werde von zwei verheuratheten Personen, oder von einer verheuratheten mit einer ledigen begangen, soll bei Mannspersonen mit dreimonatlicher Vestungs-Strafe, bei Weibspersonen aber mit 10 Wochen Zuchthaus, bei Personen aber, wo diese Strafen nicht wohl anwendbar sind, mit i0 Wochen Gefängniß bei geschmeidiger Kost, geahndet werden, ohne daß die Fürbitte und Verzeihung des unschuldigen Ehegatten eine Milderung bewirkt.
§. 13.
Die bei dem Ehebruch bisher Statt gefundene Kirchenbuße wollen Wir hiemit abgestellt haben. Jedoch bleibt es bei den ältern Verordnungen, nach welchen ein wegen eines Ehebruchs Bestrafter unfähig seyn soll, ein gerichtliches Amt zu bekleiden.
§. 14.
Der wiederhohlte Ehebruch ist, wenn das erste Vergehen bestraft worden, mit der doppelten Strafe, folglich bei Männern mit sechsmonatlicher Vestungs-Strafe, bei Weibspersonen mit 20 wöchigem Zuchthaus, und bei Personen, wo diese Strafen nicht wohl anwendbar sind, mit 20 wöchigem Gefängniß bei geschmeidiger Kost zu belegen.
Ist aber das erste Vergehen nicht untersucht; so ist nur die einfache Strafe zu erkennen. Wäre hingegen die Untersuchung angefangen, oder die Strafe erkannt, aber nicht vollzogen; so wird die Strafzeit um ein drittel vermehrt.
§. 15.
Ein unehlicher Beischlaf, der nach einem Ehebruch begangen wird, ist als eine blose Scortation nach Vorschrift des §. 1. zu bestrafen. Eben so wenig findet eine geschärfte Ahndung des Ehebruchs Statt, wenn eine Scortation vorangegangen ist.
§. 16.
Die wegen eines fleischlichen Vergehens bestrafte Personen dürfen ohne ausdrükliche Dispensation des Zweiten Senats Unseres Königlichen Ober-Justiz-Collegiums nicht anders, als am Mittwoch kopulirt werden. Auch ist der geschwächten Person das Tragen des gewöhnlichen Ehrenkränzchens bei Strafe von 10 fl. verboten.
§. 17.
Alle Untersuchungen der fleischlichen Vergehen sind künftig allein von Unsern weltlichen Beamten, ohne Zuziehung der Geistlichen vorzunehmen, und wollen Wir die bisher bestandenen sogenannten gemeinschaftlichen Ober-Aemter gänzlich aufgehoben haben.
§. 18.
Die Falle, wo fleischliche Vergehen mit bloßen Geldbußen, nach vorstehenden Vorschriften, geahndet werden, sind von Unsern Königlichen Beamten, wie bisher, zu bestrafen, und haben dieselbe, bei sich ereignenden Anständen, die Sache Unserer Königlichen Ober-Landes-Regierung zur Entscheidung vorzulegen, diejenigen Fälle aber, wo Leibes-Strafen eintreten, an den Ersten Senat Unseres Königlichen Ober-Justiz-Collegiums zu berichten.
Daran geschiehet Unser Königlicher Wille, und Wir verbleiben euch in Gnaden gewogen.
Stuttgart, im Königlichen Staats-Ministerium, den 31. Juli 1806.
Ad Mandatum Sacrae Regiae Majestatis.
Ob diese Verordnung auf den Heuschobern, in Feld, Wald und Flur tatsächlich für sittenstrenges Verhalten sorgte ist nicht überliefert.
Was mir aber dazu einfällt, ist der Umstand, dass es zu dieser Zeit noch das Recht des Gutsherren auf die erste Nacht, die Pflicht auf der zugewiesenen Scholle zu leben und auch die Leibeigenschaft gab. Sogar Offiziere und Mitglieder des niederen Adels konnten und durften nicht einfach mal eben so das teils winzige Staatsgebiet verlassen (Friedrich Schiller konnte davon ein Lied singen) und der Chef des Staatsgebiets konnte seine „Soldaten“ einfach mal eben so verkaufen, um die Staatskasse aufzubessern und seine Mätressen auszuhalten (kurfürstliches Hessen).
So waren die Zeiten.
In dieser Zeit tüftelte der gütige, allergnädigste und dem Volke gewogene Landesvater für seine unmündig gehaltenen Landeskinder dieses zwingend notwendige Gesetz aus, welches er nutzte, um im Gesetzestext sogar den Tag zu bestimmen, an der ein zuvor bereits erwischtes Weibsbild in ihrer Zukunft noch kopulieren durfte.
Ihre Durchlaucht war voller Güte.
Euer A.P. – 17.12.2020
(Den Tipp und die Unterlage dazu erhielt ich von Simone aus Stuttgart, die sich richtig aufregte, dass ausgerechnet in ihrem Ländle solche Chauvinisten das Sagen hatten. Alles was sie dazu äußerste mag ich hier nicht wiedergeben. Aber ich will nicht vergessen, dass ich Euch von ihr die bestgemeintesten Weihnachtsgrüße übermitteln soll.)
Willst Du von hier wieder zurück in unseren “Finde-Index” und weißt im Moment nicht wie ?
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