Berichtet Ende Monat Oktober im Jahre 1860 aus zusammengesuchten Berichten „The Times“, London:
Aus dem Hauptquartiere des englischen Heeres vor Peking bringt die „Times” Briefe vom 26. und 27. Oktober und aus Peking selbst einen Brief vom 1. November.
Die Einnahme der chinesischen Hauptstadt erfolgte ohne Blutvergießen und ohne Abfeuern einer einzigen Kanone.
Sobald die Truppen der Verbündeten vor den Thoren standen, war es den Stabsoffizieren möglich, mit einer nur kleinen Eskorte durch die Straßen der Stadt zu wandern und Quartiere für die Gesandten auszusuchen, ohne irgendwie belästigt zu werden.
Die Pracht und Herrlichkeit Pekings, von der wir in unseren Knabenjahren so viel in Schulbüchern gelesen haben, stellt sich nach den Schilderungen der „Times“-Korrespondenten der Hauptsache nach als leere Flunkerei dar.
In Kanton hatten die Engländer schon früher ähnliche Erfahrungen gemacht. Auch der Glanz dieses Ortes war mit glühenden Farben gemalt worden.
Als sie hinkamen, fanden sie allerdings große Paläste, umgeben von weitläufigen Gärten, und innerhalb der Stadtmauern grasten Hirsche und Rehe. In den Palästen aber sah es wüst und leer aus. An den Decken der Gemächer hingen riesige Fledermäuse, auf dem Fußboden lag der Unrath zollhoch, und Alles verrieth, daß seit manchem Jahre kein menschlicher Fuß die Stätte betreten hatte. Die Gärten waren verwildert und beherbergten die Thiere des Waldes. Aehnlich sah es in Peking aus.
Es fiel herzlichst schwer, passende Wohnungen für die Vertreter Großbritanniens und Frankreichs zu finden, es erklärt sich das vielleicht aus dem unter der gegenwärtigen tyrannischen und wankenden Regierung herrschenden Gefühle der Unsicherheit, welches selbst vermögende und hochgestellte Leute bewogen haben mag, ihren Reichthum und ihre Herrlichkeit nicht zur Schau zu stellen.
Der ganze Pomp der Kaiserstadt und des Kaiserreiches scheint sich nach dem innerhalb der Thore gelegenen kaiserlichen Palaste und nach vor den Thoren gelegenen Sommerpalaste geflüchtet zu haben.
Dort thronte China in seiner Kaiserpracht; dort hatte es seine Schätze und die ihm von den Portugiesen und anderen Tributpflichtigen, so wie von den englischen Königen Karl II. und Georg III. dargebrachten Gaben aufgespeichert.
Die Engländer fanden es gerathen, sich an diese Schätze und diese Gebäude zu halten, um Genugthuung und Entschädigung von den Chinesen zu erlangen.
“Schon lange“, sagt Sir Hope Grant in einer Proklamation vom 16. Oktober, „ist es an den Tag gekommen, daß unsere verrätherisch gefangen genommenen Offiziere und Leute so barbarische Mißhandlungen zu erdulden hatten, daß mehrere von ihnen denselben erlegen sind. Die chinesischen Behörden müssen für diese Gräuel, für welche sie allein verantwortlich sind, büßen, und da es sich herausstellt. daß die vorerwähnten Personen, die dem Brauche zuwider, welcher die zwischen feindlichen Heeren als Unterhändler hin- und hergehenden Personen schützt, gefangen genommen worden waren, zuerst im Palaste Nueu-Ming-Nuen mißhandelt wurden, so hat der Oberbefehlshaber die vollständige Zerstörung der dazu gehörigen Gebäude beschlossen, so wie die Eintreibung einer Geldsumme, welche den Hinterbliebenen der Gefangenen oder den Familien derer, welche ihr Leben in der Gefangenschaft verloren haben, als Entschädigung ausgezahlt werden soll.“
Um den Trotz des Prinzen Kung zu brechen, drohte Lord Elgin mit Vernichtung des innerhalb der Stadt gelegenen Kaiser-Palastes, und diese Drohung hatte den gewünschten Erfolg. Der Prinz hatte sich während der Unterhandlungen mit den Verbündeten durchweg barsch und unhöflich benommen. Schließlich aber zwang ihn Lord Elgin doch, zu Kreuze zu kriechen und mit ihm in der chinesischen Hauptstadt und Angesichts des chinesischen Volkes wie mit seines Gleichen zu verkehren.
25.02.2023 – Ein Beitrag von unserem Leser Dietrich Senger, MV.