Als es noch keine moderne Einkaufszentren mit Kühlräumen und Frischetheken gab, Hausmütter, Köchinnen und Haushelferinnen auf die Fleischhauer auf Wochenmärkten angewiesen waren und auf Hinterhöfen selbst schlachtende Metzger, die vorn in ihren Läden den Straßenverkauf absolvierten (bedenkt die Standards, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verfügbar waren) und auch im bürgerlichen Haushalt beinahe alle Selbstverständlichkeiten unserer heutigen Moderne fehlten (die fehlten dem Arbeiterhaushalt sowieso in aller Gänze), musste man (d.h. musste SIE) sich mit traditionellen “Kniffen” zu helfen wissen, um vom auch damals schon gewinnstrebenden Händler nicht “über’s Ohr gehauen” zu werden und der Herrschaft zu zeigen, dass sie es verstand gut zu wirtschaften und mit geringem Haushaltsgeld schmackhafte Speisen zu bereiten.
Hier ein paar dieser “Kniffe”, von denen wir – immer häufiger alleinerziehend und durch den Tag gehetzt – heutzutage fast gar nichts mehr wissen:
Ochsen- oder Rindfleisch.
Im Nährwerte folgen sich (wie Abbildung): 1. Schwanzstück, 2. Lendenbraten, 3. Vorderrippe, 4. Hüftenstück, 5. Hinterschenkelstück, 6. Oberweiche, 7. unteres Weichenstück, 8. Wadenstück, 9. Mittelrippenstück, 10. Oberarmstück, 11. Flankenteil, 12. Schulterblatt, 13. Brustkern, 14. Riemen, 15. Hals, 16. und 17. Beine, 18. Kopf.
Das Fleisch ist ein wichtiges Nahrungsmittel, da es alle Stoffe enthält, die zur Ernährung notwendig sind, und es kaum möglich ist, mit anderen Speisen das Fleisch vollständig zu ersetzen. Als Minimum des Fleischbedarfs für einen arbeitenden Mann kann per Tag sicher ein halbes Kilo angenommen werden, und man muß jede Ernährungsweise als fortweisend erklären, die einen solchen Fleischgenuß nicht gewährt.
Aus diesem Grunde muß auch die Zubereitung des Fleisches die Aufmerksamkeit der Köchin im höchsten Grade in Anspruch nehmen.
Eine allgemeine Empfehlung verdient das Klopfen, welches das Fleisch mürbe und viel leichter kochbar macht. Zähes Fleisch, besonders von alten Tieren, muß immer geklopft werden. Man darf das Fleisch aber nicht so heftig schlagen, daß es seine Form verlieren könnte
Die Erfahrung lehrt, daß man durch Kochen nie gleichzeitig gutes Fleisch und gute Fleischbrühe erhalten kann.
Einen Hauptfehler begehen unsere Köchinnen dadurch, daß sie viel zu hohen Wert auf frisches Fleisch legen. Es ist gewiß, daß durch die Verwendung zu frischen Fleisches am meisten in der Küche gesündigt wird. Das Fleisch darf immer erst längere Zeit nach dem Tode des Tieres zubereitet werden; auch soll selbes man aufhängen wie auch das Wild und Geflügel an einem trockenen, luftigen Orte, da kein Fleisch schmackhaft und mürbe ist, wenn es gleich nach dem Töten des Tieres verwendet wird; die Dauer dieser Aufbewahrungszeit ist jedoch nach der Art des Fleisches und der Temperatur verschieden.
Kalbfleisch darf im Sommer nur höchstens drei Tage hängen,
Schweinefleisch nur ein bis zwei Tage;
Rindfleisch oder Wild können vier Tage abliegen.
Großes Geflügel ebenfalls, während Hühner und Tauben am besten den Tag nach dem Schlachten verbraucht werden.
Auerhühner, Birkhühner, wilde Gänse und wilde Tauben gräbt man sogar 8 Tage lang an einem schattigen Ort in die Erde,
um sie gehörig abliegen zu lassen, da ihr Fleisch sonst hart und ungenießbar sein würde.
Je älter das Fleisch, desto mürber und schmackhafter ist es. Die chemische Analyse ergibt, daß das Kuhfleisch denselben Nährstoff besitzt, wie das Ochsenfleisch.
Das Vorurteil gegen Kuhfleisch kommt daher, das weit mehr schlechte Kühe als schlechte Ochsen geschlachtet werden.
Kalbfleisch …
… ist am besten von Kälbern, welche etwa vier Wochen alt und die nur mit Milch getränkt worden sind. Diese wiegen dann circa 33 Kilo, haben gute und fette Nieren und zeigen auf der Brust und den Nieren ein feines Fett.
Das Fleisch muß sich dabei durch eine schöne weiße Farbe auszeichnen.
Im Nährwert folgen sich (siehe Abbildung): 1. Schlegel (Keule), 2. Nierenstück (Lende), 3. Vorderviertel, 4. Schulterstück, 5. Brust- und Bauchstück, 6. Kopf und Zunge, 7. Hals.
08.03.2021