Bereits in den frühen 1800ern gaben die Buch- und Zeitschriftenverlage „Jahresplaner“ heraus.
Dies waren in Buchstärke gebundene Kalender mit Monatsaufteilung für die Arbeits- und Feiertage, deren Bezeichnungen nach römisch-katholischer oder protestantischer Konfession, die Sonnenauf- / -untergänge, die Mondphasen und die Sternzeichen.
Dazu gehörte natürlich je Monat mindestens 1 Seite für die „to-do-Einträge“, um z.B. dem Landwirt die Möglichkeit zu schaffen u.a. seine Festtage oder Marktbesuche als Käufer und Verkäufer zu planen oder den Frauenzimmern und Wirtschafterinnen ermöglichte sich ausreichend mit Lebensmitteln der Saison für die Küche einzudecken. Uhrzeiten waren seinerzeit noch nicht vorgegeben, da man sich dazumal eher nach Tageszeiten verabredete.
Daneben gab es hilfreiche Übersichten über feststehende Wechselkurse, Gebühren der Verwaltungsbehörden und Regierungsbeamten, Postbeiträge und sogenannten Stempelkosten, um z.B. Dokumente zu beurkunden, zu heiraten, zu taufen etc.
Bauern- und Wetterregeln waren ebenfalls in reichlicher Anzahl erforderlich und ausgesprochen beliebt, da z.B. die eigentlich zufallsbestimmte Wettervorhersage etwas für Könner oder Kranke mit witterungsabhängigen Zipperlein war. Wer sonst, als unsere auf dem Lande lebenden und schaffenden Urahnen konnten anno Tobac über mögliche Klimazusammenhänge etwas sagen?
Ich habe in unserem eingestaubten Familienarchiv gestöbert und einige solcher „Haus und Familien-Kalender“ gefunden. Der, den ich Euch hier vorstellen möchte, wurde 1881 in Prag bei Ignaz Fuchs hergestellt, einer k.k. Papierhandlung und von ihr offenbar auch für 50 Kreuzer das Stück verkauft.
Hierin gibt es seitenlange, eingedruckte Infos über die Termine an denen die Tages-, Wochen, und Jahrmärkte weit im voraus geplant wann und in welcher Stadt sie stattfinden sollten und was da auf ihnen vor Ort angeboten würde. Bereits in früheren Jahrhunderten wollte man so wenig wie möglich dem Zufall überlassen. Zumal Märkte nicht nur dem Handel dienten, sondern sich hier auch Stimmungen verbreiteten, Gerüchte weitergetragen wurden und Informationen ausgetauscht werden konnten, die der Obrigkeit nicht immer in den Kram passten. Schon gar nicht der wiener’schen Herrlichkeit.
So wie auf diesem Beispielblatt (Auszug davon in heutiger Maschinenschrift) geht es im Original seitenweise. Es mögen an die 1.000 Einträge sein, die dem damals sicherlich sehr interessierten Leser auf diese Weise angezeigt wurden.
Nürnberg (Baiern), 1. an 3 Königen, 2. Mittw. nach Ostern, 3. nach Acgydi. Wollmarkt am i. Mont, im Juli von 9tägiger Dauer.
Oedenburg (Ungarn), i. Sonntag in der Fasten, Philipp und Jakob, Margaretha, 6.Aug., Elisabeth.
Ofen (Ungarn), 6.Jän., 23.Apr., 13.Juli u. 29.September.
Olmütz (Mähren), 1. Mont, nach hl. 3 Kön., 2. Mont. n. Georgi, 3. am 3. Mont. n. Joh. Täuf., 4. am 3. Mont. i. Okt. Jeder dauert 15T.
Padua (Italien), St. Antonnismesse vom 13.bis 28.Juni, dann vom 1.bis15.Oktober.
Paris (Frankreich, Residenz). St. Germain und St. Henry; Dauer 28 Tage.
Pest (Ungarn), an Josephi, Medardi, Joh. Enthaupt., Leopoldi, Dauer 8 Tage; en gros-Geschäfte werden schon 8 Tage zuvor gemacht.
Pirna (Sachsen), Mont. nach Serag., Mont. u. Misericordia, Mont. v. Barth, u. Matthäi.
Preßburg (Ung.), 3. März, Johann d. Täuf., Michaeli und Katharina.
Roveredo (Süd-Tyrol). 1. Mont. n. Oculi, 2. Christi Himmelfahrt, 3. am 26.Juli und der 4. am 25.November.
Salzburg, 1. am Fastnachtsmontag und 2. an Matthäi; jeder dauert 14 Tage.
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Sinigaglia (Italien bei Ancona), Freimesse am 20.Juli, dauert 20 Tage.
Stettin (Alt-), 1, Mon. n. Miseric., 2. b.4. Mont. n. Mich.; Dauer 8 T. Wollm. a. 14.Juni.
Stehr (Oberösterreich), Donnerstag n. Jubil.; Mont. u. Michaeli, immer 14.T. Viehmärkte
19.März u. Donnerst., nach dem Galli-Kirchtag.
Straßburg (Deutschland), zwei Messen, zu Neujahr, zu Johann; Dauer 8 Tage.
Stryi (Galizien), 1. an Stanislaus, 2. am 7.August, 3. an Maria Himmelfahrt durch 14
Tage, 4. an Nikolaus durch 8 Tage.
Temeswar (Banat), 1. an Reminiscenz, 2. am Sonntage vor Michael.
Teschen (Schles.), 1. am 2. Montag im März, 2. am 2. Mont. i. Mai, od. wenn in diese Woche die Bitttage fallen, am 3. Mont. im Mai, 3. am 2. Mont, im Juli, 4. am, 2. Mont, im September, 5. am 2. Montag im November. Viehmärkte am ersten Tage des Jahrmarkts.
Trient (S.-T.), 21.Feb., 21.Sept. u.18.Nov.
Triest (freie Stadt), vom 1. bis 20.August.
Troppau (Schlesien), 1.Feb., 1.August durch 8 Tage, 1.Mai und 1.Nov. durch 14Tage.
Udine (Friaul) 26.Jänner, 13.Febr-, 23.April, 30.Mai, 9.August, 24.Sept. u. 24.November. Dauer 3 Tage.
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Venedig, Christi Himmelfahrt. Die Messe dauert 14 Tage.
Verona (Italien), 1. Mont. n. d. Osterwoche durch 14 Tage, 2. vom 4.bis 19.Oktober
Villach (Kärnthen), am hl. 3 K. u. an Laurenti.
Warschau (R.Polen), 1. nach Misericordia, 2. an Johanna, 3. an Hedwig.
Wels (Oberösterr.), am Samst. i.d. Bittwoche, Samst. nach Mar. Geb., letzterer 8 Tage.
Wien, Reichshaupt- und Residenzstadt, Frühjahrm. am Mont. 14. Tage n. Ostern, d. i. n. Misericordia, Herbstm. am 15.Okt. Dauert 14 Tage u. überdies 3 Tage z. Aus– u. Einpacken der Waaren.
Der Bezirk Leopoldstadt hält an Margaretha (13. Juli) einen Markt, welcher gleichfalls 14 Tage dauert. Roßau, 26.April, mit Holz-u. Töpferwaaren, 1 Woche, 1.Juli 3 Wochen, 27.Sept. 2 Wochen.
Wiener-Neustadt (N.-Oesterr.), 1. Mont. n. Maria Himmelfahrt, 2. Montag n. Matth.
Jeden Mittwoch vorher ist Viehmarkt.
Würzburg (Baiern), 1. Sonnt, vor Oculi, 2. v. Kilian, 3. v.Michael, 4. v. Allerheiligen.Ihr Text
Euer Alois aus Linz am 31.10.2020
Nachfahre einer 300-jährigen Dienergeneration(*) der Donaumonarchie.
(*) die artig vor der Herrschaft den Hut zog, buckelte und ihr so den Diener zeigte.