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1808 – Bremische Kartoffelklöße

by de olde Grotmüdders

Der Werdegang der Kartoffel ab 1800 (1)

Kartoffelklöße

Durch den Bericht über den Fund eines Uroma-Rezeptes für Kartoffelsalat ermuntert, verfolge ich z.Zt. die Idee, mich der Kartoffel und ihrem Werdegang in den Kochanweisungen für Frauenzimmer und Kochbüchern für Hausfrauen und Mütter einmal mehr zu widmen.

Die Kartoffel (Tartuffel, Grundknolle, Erdknolle, Feldknolle, Ackerapfel, Feldfrucht, Erdgemüse, Erdapfel, Erdbirne, Potate(n), Potage… (eine von etlichen Arten Klößchen als Solospeise oder in der Vorsuppe, regional/saisonal sehr unterschiedlich).

Ich beginne mit meiner, mir ans Herz gewachsenen Freundin Ilisabetha Gleim (genannt Betty Gleim, 13.08.1781 – 27.03.1827) aus Bremen, die 1808 das „Bremische Koch- und Wirtschaftsbuch“ herausgeben hat. Die Erstausgabe (von insgesamt einem Dutzend weiterer u.a. auch durch Auguste Siemers, geb.Köhler herausgegeben) erschien über ihren Verleger Johann Heinrich Müller zeitgleich in Aurich und Bremen.
Für die Erstausgabe müssen heute – je nach Zustand – zwischen 450 und 550 Euro auf den Tisch gelegt werden.

Margot besitzt tatsächlich eine Erstausgabe, hütet diese wie die Kronjuwelen der britischen Majestät und leiht sie gegen kein Versprechen aus. Sie gibt uns aber gern Abschriften der Texte.
Wir verfügen über die 3. oder 4. Auflage (leider fehlt das Titelblatt, welches endgültig eine eindeutige Identifizierung ermöglicht).
Anton-Dieter hat die 11. Auflage von 1869 – bearbeitet von Auguste Siemers


Ilisabetha Gleim ist nach meinen Recherchen in unserem bundesweit verteilten Kochbuch-Archiv eine der ersten, die auch Rezepte für die einfache Bevölkerung veröffentlichte. Dazu gehörten Kochanweisungen für Kartoffeln, die noch auf dem langen Weg hin zum Grundnahrungsmittel waren, aber dort noch nicht angekommen waren. Die Landbevölkerung hatte noch nicht überall das Wissen, wie man die empfindliche „Knolle“ vor Fäulnis, Pilz- und Insektenbefall, Unkrautüberwucherung zu schützen und das geerntete Gut über den Winter sicher zu lagern hatte, um eine wirtschaftliche Ernte und eine für die eigenen Versorgung ausreichende Versorgungsgrundlage hinzubekommen.
Die Kartoffel war also noch immer nicht die erste Wahl der Landwirtschaft.
Zudem brachte 1 Tonne guten, nach alter Tradition getrockneter Weizen mehr Ertrag, als 1 Tonne der wasserhaltigen, schweren Kartoffeln, die – wie die Rüben – zudem in mühselig-anstrengender Handarbeit mit Forken aus dem Ackerboden ausgegraben und in Nachlese ans Tageslicht gebracht werden mussten.
Zudem war bekannt, dass die Kartoffel zur Mast des Hausschweins beste Eignung hatte (Schweinekartoffeln! Das ist ein Schweinefraß …!).
Und wer wollte sich schon davon ernähren, was die Schweine übrig ließen.

Der Siegeszug der Kartoffel in die Küche der Menschen war wahrlich nicht einfach und da es sowieso aller Orten an geeignetem Ackergerät für eine großflächige Bewirtschaftung fehlte, aus damaliger Sicht nicht vorhersehbar.
Aber im Gefolge der napoleonischen Kriegszüge, ihrer Verwüstungen, den ihnen folgenden Hungersnöten und der Speisegewohnheiten der Besatzungssoldaten kam ein „notgedrungen, langsam aber sicher“ der Wandel in Gang.

Ilisabetha-Betty Gleim schrieb uns also das Folgende auf:

Bälle (Klümpe) von Kartoffeln
(Bälle oder Klümpe war in Norddeutschland der Begriff für Klöße)

Man kocht den Abend vorher,
ehe man sie brauchen will,
die Kartoffeln und
ziehet ihnen, wenn sie gahr sind, die Haut ab;
den andern Tag reibt man den denselben so viel,
daß das Geriebene 8 Loth beträgt
(1 Loth war zu jener Zeit in Bremen etwa 50 Gramm).
Dann rührt man ein Stück Butter von der Größe einer doppelten Wallnuß,
zu Sahne;
giebt dazu vier Eyer,
Salz,
Muskatblumen,
die geriebenen Kartoffeln, und,
wenn die Masse nicht dick genug seyn sollte,
etwas gestoßene kleine Zwiebäcke.
Alles dieses wird wohl unter einander gemischt;
darauf werden die Klümpe mit einem in heiße Brühe getauchten Löffel abgestochen,
und in die kochende Suppe gegeben.


Dieses Rezept findet sich auch (fast wortidentisch) noch in der 3. Ausgabe, ebenso findet sich dieses Rezept 1869 in der Rubrik für „Von Bällen (Klümpen oder Klößen)“ noch in den Kochbüchern, die unter dem Namen der längst verstorbenen Betty Gleim, von ihren „Nachfolgerinnen“ als sogenannte verbesserte und vermehrte Neufassung überarbeitet herausgebracht wurden.

Auguste Köhler, verheiratete Siemers fasste den Inhalt 1869 wie folgt in neue, der Zeit angepasste, Worte:

Abtheilung C:
Von Bällen (Klümpen oder Klößen)
I. Klöße, welche zu Ragouts, Fleisch- und Fischsuppen gebraucht werden:

 Seite 68 Nr. 9 – Kartoffelklöße

4 Loth (1 1/4 Nlth. = Neuloth) Butter
rührt man zu Salbe oder Sahne,
dann nebst etwas Muskat, Salz, feingehackter Petersilie,
nach und nach 4 Eidotter und
4 Loth (1 1/4 Nlth.) geriebenes Weißbrot und zuletzt
1/4 Pfd. geriebene Kartoffeln, welche Tags zuvor gekocht sind, und
das zu Schnee geschlagene Weiße der 4 Eiern;
rollt entweder kleine Klöße davon
oder sticht mit einem kleinen Löffel Klöße davon in die Suppe und
kocht sie in 5 – 10 Minuten gahr.

Man kann auch statt Brot
gestoßene kleine Zwiebäcke oder Mehl nehmen;
Zwiebäcke nimmt man aber etwas weniger, weil diese mehr ausquellen.


In den voranstehenden Anmerkungen zur Abtheilung C gibt Frau Siemers noch Tipps für die Bearbeitung und den Notfall:

 Anmerkung. 

Fleisch-Leber- und Fischklöße werden mit den Händen aufgerollt, indem die Hand mit kaltem Wasser feucht gemacht wird, oder auch die Masse wird auf eine Schüssel ungefähr 1 Zoll dick fest aufgestrichen und dann mit einem Thee- oder Eßlöffel, welcher jedesmal in die kochende Bouillon getaucht wird, nach einander in die kochende Brühe gegeben und zugedeckt in 10—15 Minuten gahr gekocht.

Zu Ragouts oder Fricassees legt man die aufgerollten Klöße oder Bälle neben einander auf eine Schüssel und giebt sie dann zu gleicher Zen in die kochende Brühe, indem man von derselben einige Löffel voll herübergießt und sie so hineinspült, aber immer vorher, ehe man das Mehl zu derselben giebt.

Auch ist es sehr zu empfehlen, immer erst einen Kloß oder Ball allein gahr kochen zu lassen, um zu versuchen, ob dieselben auch abkochen und zu weich sind (welches gewöhnlich daher komme, wenn das Brot etwa zu frisch oder, nachdem man es durch kaltes Wasser gezogen, nicht gehörig ausgedrückt ist), sollte dieses der Fall sein, so reibe man noch etwas altes Brot dazu und nach Verhältniß noch ein oder ein halbes Ei, und ist man dann noch nicht recht sicher, so koche  man sie in Bouillon allein gahr, fülle sie mit der Schaumkelle auf eine Schüssel, gebe die Bouillon wieder durch ein  Sieb zu der Suppe oder zum Ragout oder Fricasscee, und kurz vor der dem Anrichten die Bälle wieder hinein.

Bei Kartoffeln-, Mehl und Brotklößen gilt dasselbe; sollten diese etwas weich gerathen sein, so darf man während des Kochens den Topf nicht zudecken, weil sie sonst leicht auseinander kochen; wenn dieselben inwendig trocken sind, so sind sie gahr und müssen dann gleich angerichtet werden.

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