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Spannend: Hausabfälle – Sammlung und Verwertung – 1866

by Arthur Piefke

Vorab zu meiner Verteidigung:  Schmutz ist hier tatsächlich Schmuz. Es ist mir wichtig, das zu erklären.

Wie Hausabfälle anno 1866 verwertet wurden:

Was der Staub im Zimmer, das sind Schmuz und Abfälle im Hause. Wenn nicht ununterbrochen für ihre Beseitigung Sorge getragen wird, wachsen sie an zu Dämonen, welche Behaglichkeit, Reinlichkeit, Ordnung der Wohnung und Gesundheit aller Bewohner zerstören.

Täglich fallen aus der Küche und Werkstatt eine Menge nutzloser Stoffe ab, täglich werden die im Gebrauch befindlichen Gegenstände im Hause: Kleider, Schuhe und Geräthschaften, in etwas abgenutzt. Dies oder Jenes als ausgedient beseitigt oder als zerbrochen weggeworfen. Düngergrube, Aschenbehälter, Senkgrube und Kehrichthaufen nehmen die mancherlei Invaliden und den Wegwurf der verschiedensten Art auf.

Je dichter die Wohnungen bei einander liegen, je größer und volkreicher also die Städte sind, desto wichtiger ist es, nicht blos der Bequemlichkeit und Annehmlichkeit, sondern auch der Gesundheit wegen auf vorsichtige Beseitigung des Abfalls, auf gute Einrichtung der Düngergruben u.s.w, zu achten.

Vor etwa 600 Jahren war selbst in Paris der schlechte Geruch, welcher sich aus dem Koth und Unrath der Straßen entwickelte, so unerträglich, daß er in’s Innere des Königspalastes drang und diesen fast unbewohnbar machte.
Selbst vor 200 Jahren machten es sich in Berlin die Schweine in den Düngerhaufen auf den Straßen bequem und mußten erst durch die Verordnungen des großen Kurfürsten entfernt werden. Heutzutage sind die Straßen der meisten Städte gepflastert und in den größern Orten nimmt das Schmuzwasser seinen Abzug durch unterirdische Kanäle (Kloaken).

Beobachtungen, welche man bei dem Auftreten der Cholera angestellt hat, zeigten, daß es von großer Wichtigkeit ist, auf die Lage der Düngergrube sorgsam zu achten. Dieselbe muß sich möglichst entfernt von dem Wohnhause befinden und so gelegen sein, daß die in ihr sich ansammelnden Flüssigkeiten weder mit dem Brunnen noch mit den Grundmauern des Hauses in Verbindung treten können. Häuser, welche von diesem Uebelstande frei, dabei frischem Luftwechsel zugänglich waren, blieben auffallend von jener Krankheit verschont, während sie in solchen von entgegengesetzter Beschaffenheit in um so höherem Grade wüthete.
Die Ausdünstungen, welche aus der Düngergrube in Folge der daselbst stattfindenden Fäulniß aufsteigen, sind der Gesundheit um so schädlicher, je weniger die Luft zum schnellen Wechsel Gelegenheit findet.

Durch eine Lösung von Eisenvitriol (1 Theil in 10 Theilen Wasser), welche man in die Düngergrube (oder Senkgrube) schüttet, vermag man mit geringen Kosten alle jene Uebelgerüche zu zerstören und selbst das Ausräumen der Grube geruchlos zu machen. Dasselbe erreicht man auch, wenn man etwa alle 14 Tage eine Schaufel voll eines Gemenges aus gelöschtem Kalk mit Braun- oder Steinkohlenstaub in die Grube wirft.

Indem man durch die letztgenannten Mittel die Wohnung von jedem lästigen Geruch befreit, gleichzeitig für guten Verschluß jener Gruben sorgt und das Regenwasser von ihnen abhält, wird auch die Güte des Düngers bedeutend erhöht. Gerade diejenigen Stoffe, welche für das Wachsthum der Pflanzen am wichtigsten sind, entweichen am leichtesten in Form übelriechender Luftarten. Durch jene chemischen Zusätze werden sie dagegen veranlaßt, Verbindungen einzugehen, welche nicht flüchtig sind, und kommen so den Gewächsen beim Düngen zu Gute.

In Paris ist es bereits Gesetz, daß jede Düngergrube vor ihrer Räumung durch Eisenvitriol geruchlos gemacht werden muß, und es wird die Ausführung dieser Verordnung durch einen besonderen Beamten überwacht.
In einem geregelten Haushalt sieht man aber nicht allein darauf, daß alles Unangenehme, welches Schmuz und Abfälle mit sich bringen, möglichst beseitigt wird, sondern man sucht dieselben auch so viel als thunlich noch zu verwerthen. Es ist sehr interessant, einen wenn auch nur flüchtigen Blick darauf zu werfen, wie heutzutage noch viele Dinge Benutzung finden, die ehedem nur auf den Schutthaufen oder in die Düngergrube wanderten.

Täglich liefert die Küche dem Haushund eine Anzahl Knochen, an denen derselbe seine Zähne versucht.
In größern Orten beschäftigen sich zahlreiche Leute damit, dergleichen Knochen, von denen der Hund nichts mehr wissen mag, anzukaufen und zu sammeln.
Die größten und schönsten derselben kommen in Fabriken, in denen sie gereinigt, gebleicht und zu Messergriffen, Pianofortetasten u. dergl. umgewandelt werden.
Die geringern Stücke werden entweder zur Herstellung von Phosphor benutzt oder aus ihnen durch Glühen Beinschwarz gemacht. Die übrigen gelangen in der Gestalt von Knochenmehl als geschätztes Düngemittel in die Hände des Landmanns. Mancher Knochen mag in der Form von Streichhölzchen oder Glanzwichse in die Haushaltung wieder zurückkehren, aus welcher er entfernt ward.
Aus Kalbsfüßen wird ein Oel  gewonnen, das bei der Lederbereitung Verwendung findet, und ein ähnliches Oel, das man aus Schafsfüßen macht, dient bei Herstellung mancherlei Haaröle.
Das Blut geschlachteter Thiere  wird vorzüglich als Mittel zur Herstellung thierischer Kohle hochgeschätzt, da es sich als Entfärbungsmittel unübertrefflich zeigt.
Es dient in Form von Kohlenpulver zum Reinigen des Zuckers.
Lederstückchen und Pergamentfetzen wandern in die Küche des Leimsieders, ebenso wird aus Knochen ein Klebstoff für Färber und Tuchmacher hergestellt.
Fischschuppen werden zu falschen Perlen, zu Armbändern und Ornamenten umgewandelt,
Fischaugen werden sogar in den Händen der Blumenmacher zu unentwickelten Blütenknospen.
Alte Tuchläppchen und wollene Lumpen, mit denen man ehedem kaum mehr anzufangen wußte, als schlechtes Löschpapier und Pappe daraus zu machen, werden gegenwärtig noch zu ganz andern Dingen gebraucht.
Es bestehen in England große Fabriken, die solche Wollenfetzen aufreißen, mit etwas neuer Wolle zusammenkrämpeln und daraus Garne und Tuche oder sonstige Wollenzeuge herstellen, die als neu ihren Umlauf beginnen.
Abfälle, die beim Scheren dieser Stoffe überbleiben, schmücken schließlich als Prachttapeten die Zimmerwände.
Abfälle von Teppichen kommen auch in Matratzen als Ausstopfmaterial, desgleichen gemeinschaftlich mit Lederstückchen und ähnlichen thierischen Abfällen zur Herstellung des Berliner Blau. Es ist bei Fabrikation der letztgenannten Farbe möglich, daß ein Lederstückchen, das ehedem mit dem Stiefeleisen in einem mechanischen Verbände gestanden, in dem Kessel des Fabrikanten mit demselben Eisen eine chemische Verbindung eingeht, die es zu jener schönen Farbe werden läßt.
Die zarten Damenkleiderstoffe, die unter dem Namen Balzarines, Orleans, Koburgs, Alpacas u. s. w. ehedem aus Wolle bestanden, sind jetzt aus einer Mischung von Wolle und Baumwolle hergestellt.
Sind sie durch längeres Tragen in Lumpen verwandelt, so wendet der Fabrikant chemische Flüssigkeit an, um ihren Baumwollezusatz zu zerstören, reinigt die überbleibende Wolle und bringt sie versponnen und verwebt nach einiger Zeit als feines Tuch wieder auf den Markt. Es ist auf diese Weise möglich, daß Etwas von der Wolle, welche vor wenig Jahren das Balzarinekleid der Dame bildete, gegenwärtig einen Theil vom Oberrock des Mannes ausmacht.
Das Fett, das in den Abfällen der Wolle enthalten ist, kommt später in Gestalt von Stearinkerzen wieder zurück.
Schnitzel von Pferdehuf und Horn sind zerkleinert zur Herstellung des Berliner Blau gleichfalls verwendbar und als Düngemittel sehr geschätzt.
Baumwollene und leinene Lumpen gelangen später als Papiere, vielleicht als Kassenbillets, wieder in unsere Hände: die leinenen liefern den im Kriege Verwundeten Charpie zum Verbande ihrer Wunden.
Korkabschnitzel lassen sich noch zur Füllung von Betten und Pfühlen, als Schwimmmaterial für Rettungsboote und Gewänder, endlich auch mit Asphalt gemischt zu Straßenmaterial für Hängebrücken gebrauchen.
Lumpen, die vielleicht zur Papierbereitung kaum tauglich waren, verwandeln sich in Papiermaché und kommen als Theebretchen oder als zierliche Figuren wieder.
Tabaksasche giebt einen trefflichen Zusatz zu Zahnpulvern.
Sägespäne, die bekanntlich die Zimmer säubern helfen, füllen die Puppenbälge, werden beim Verpacken von Flaschen und Eis, beim Reinigen der Metalle und endlich beim Räuchern von Fleisch und Fischen benutzt.
Die Holzasche wird vom Potaschenbrenner und Seifensieder sehr gesucht,
die zerpulverten Steinkohlen und Braunkohlen werden neu geformt und ihre Schlacken als Füllung unter Fußböden und zum Festmachen lockerer Wege empfohlen.
Auch den Backsteinen setzt man sie zu und den Ruß schätzt man wenigstens als Düngemittel.
Glasscherben und zerbrochene Flaschen wirft man gegenwärtig nicht mehr weg, sie kommen wieder in die Glasfabrik, werden von Neuem geschmolzen und zu Geschirren geformt.
Nagelstückchen und alte Stahlschnitzel aus Nadelfabriken geben das Material zu den besten Büchsenläufen und
alte Blechgeschirre und Eisenstücke kehren theils zu den Schmelzhütten zurück, theils verwandelt sie der Chemiker.
Es ist nicht unmöglich, daß die Tinte, mit der wir schreiben, früher ein Theil eines eisernens Faßreifens war, sowie die beste Buchdruckerschwärze, welche Kupferstiche oder Buchstaben schwärzt, aus verbrannten Weinkernen und Traubenhülsen erhalten wird.
Abschnitzel von verzinntem Eisenblech werden wieder in Zinn und Eisen zerlegt,
alle Metallabfälle lassen sich verwerthen;
der Goldschläger verkauft sogar seine alten abgetragenen Arbeitskleider und zwar nicht selten so theuer, daß er sich für den Erlös neue kaufen kann. Sie werden dann verbrannt und die Goldtheilchen, die sich in ihnen angehäuft haben, gesammelt.


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