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Cholera-Epidemie in Wien 1866

by de olde Grotmüdders

Immer wieder wurde Wien von schweren Cholera-Ausbrüchen heimgesucht.
Nach der fünften oder sechsten Epidemie herrschte Panik, sobald der Verdacht eines erneuten Ausbruchs aufkam.
Die „Aerztekammer“ in der k.+ k. Monarchie hatte bereits erhebliche Maßnahmen ergriffen, um Ausbruchsherde zu beseitigen und Vorsorgemaßnahmen zu ergreifen. Doch war das nicht ganz so einfach wie es sich liest.
Man darf nicht vergessen, dass ein ganz erheblicher Anteil der Stadtbevölkerung in erbärmlichen Verhältnissen lebte, besser  hauste und einer um sich greifenden Epidemie schutzlos ausgeliefert war.
Der Versuch, eine „Kranken-Versicherung“ für das Dienstpersonal der begüterten Einwohner zu schaffen, scheiterte in den früheren Jahren bis 1875 lange immer wieder.
Die Dienstherren sollten 1 fl. pro Jahr für die Vorsorge bezahlen, um damit z.B. Krankenhausaufenthalte honorieren zu können.
Aber es war billiger, das Personal beim Auftreten erster Krankheitssymptome einfach und auf der Stelle zu entlassen.
Ihnen im Zweifel Unzuverlässigkeit oder Unehrlichkeit vorzuwerfen war eine gängige Methode.
Das verbleibende Dienstpersonal gab notfalls sogar die erforderlichen Zeugen her, hatten es doch Angst selbst aus dem Dienst entlassen zu werden.
Willkür war an der Tagesordnung und Rechte hatte die dienende Bevölkerung nur auf dem wohl formulierten Papieren, die die Regierung herausgab, um ihre guten Absichten etwas ändern zu wollen nachweisen zu können.
Und endlich gab es ja die Ratsversammlungen, in denen man sicher sein konnte, dass stets eine ausreichende Anzahl Ratsherren gegen mindestens einen Punkt einer Gesetzesvorlage stimmte und Vertagung verlangte.
Nur langsam setzte sich die Vernunft durch und nach und nach erkannten die Dienstherren schwerfällig, gegen einen Bruch der Jahrhunderte gewohnte Traditionen angehend, den wirtschaftlichen Vorteil für ihre Haushaltskasse.

Das Protokoll dieser Sitzung zeigt, dass es durchaus Interessen gab, die herrschende Lage so zu ändern, dass Monarchie und Stadtverwaltungen in einen haltbaren und wirtschaftlich ausgewogenen Zustand käme.
Nicht etwa, weil man plötzlich den Wert des Dienstpersonals erkannt und zu schätzen gelernt hätte.
Aber ohne gesundes Dienstpersonal hätte die gesellschaftlich besser gestellte Schicht kaum leben können.
Das System war auf die geringverdienenden Diener, Mägde, Tagelöhner, Fuhrleute, Lebensmittel anbauende Landwirte und Tageshandwerker angewiesen und wär ohne diese sang- und klanglos zusammengebrochen.
Jede weitere Epidemie  konnte das Fass zum Überlaufen und die Bevölkerung mit Gewaltausbrüchen auf die Straßen bringen.

In der Sitzung vom 26. April 1867 legte der Bürgermeister der Reichshauptstadt seinen umfassenden Administrations-Bericht für die Jahre 1865 und 1866 dem Gemeinderathe vor. Es dürfte vielleicht für die Leser unseres Blattes nicht ganz ohne Interesse sein, dasjenige hier kurz angedeutet zu sehen, was im Berichte in Betreff der Leistungen, in Sanitäts- und hygienischen Angelegenheiten aufgeführt ist, um daraus zu entnehmen, welche Thätigkeit in Sanitätsangelegenheiten Seitens der Gross-Commune Wien’s entwickelt wurde — überhaupt die Leistungen der Commune Wien im Gebiete der Hygiene und medizinischen Polizei.

Der Bericht erörtert zunächst die Thätigkeit des Gemeinderathes in den einzelnen Sectionen, sodann die Thätigkeit des Magistrates und der einzelnen Aemter, und zwar zunächst für das Verwaltungsjahr 1865.

Im Berichte über die Thätigkeit der I. Section für allgemeine Organisations– und Rechtsangelegenheiten findet sich zunächst der Bericht über den Stand der Dienstboten-Krankenkasse.

Die in Folge Beschlusses des Gemeinderathes vom 1. Februar 1865 in Wirksamkeit getretene Dienstboten-Krankenkasse hat bei den Dienstboten haltenden Parteien, obschon die durch den Beitritt zu diesem Institute gewährten Vortheile augenfällig sind, bis zum Schlüsse des Jahres 1865 nicht den gewünschten Erfolg gehabt; es sind vom 1. Februar 1865 bis Ende December 1865 diesem Institute in sämmtlichen Gemeindebezirken nur 2870 Dienstgeber für 3365 Dienstboten mit der nur auf 1 fl. ö. W. festgesetzten Gebühr für jeden Dienstboten beigetreten. Am regsten haben sich an diesem Institute die Bewohner des Gemeindebezirkes Neubau betheiliget; übrigens steht zu erwarten, dass nach und nach die Betheiligung eine lebhaftere sein und der angestrebte Zweck: die Dienstgeber von der so lästigen Berichtigung der Spitalskosten für erkrankte Dienstleute gegen Bezahlung eines nur geringen Jahresbeitrages von 1 fl. zu entheben, in dem gewünschten Masse erreicht werden wird.

Bezüglich der Aufnahme der Dienstboten, welche durch die Dienstboten-Krankenkasse den einzelnen Spitälern zugewiesen werden sollen, wurden hinsichtlich der Aufnahms- und Verpflegsungsbedingungen mit den verschiedenen Krankenhäusern Verhandlungen eingeleitet, und sowohl das k. k. allgemeine Krankenhaus, als das Spital auf der Wieden und das Rudolfsspital als jene Anstalten bezeichnet, in welche erkrankte Dienstboten abgegeben werden sollen.

Die k. k. Statthalterei hat bekannt gegeben, dass sie nicht in der Lage sei, dem Einschreiten um Herabsetzung der Verpflegsungsgebühren für die in den hiesigen öffentlichen Spitälern auf Rechnung der Dienstboten-Krankenkasse verpflegten Dienstboten willfahrende Folge zu geben.

Auch mit dem israelitischen Spitale ist ein Einvernehmen gepflogen worden, dass dahin nur Dienstboten mosaischen Glaubens nach Zulänglichkeit des Belegraumes abgegeben werden, welche von keiner ansteckenden Krankheit befallen sind, und dass jene erkrankte Dienstboten, bei denen sich erst nach der Aufnahme eine ansteckende Krankheit entwickeln sollte, gleich den übrigen Patienten, bei denen ei solche Fall eintritt, behandelt, d.i. in andere Spitäler gewiesen werden; endlich, dass die von dem k.k. allgemeinen Krankenhause festgestellten Verpflegungsgebühren auch für dieses Spital als Norm zu gelten haben.

23.12.2020 – Resi


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