Eugenie hat uns am 01.11.2020 für diesen Blog ganz ausführlich etwas über die Hühnerhaltung um 1867 geschrieben.
Heute möchte ich erneut ein Dokument aus der Mitte des 19. Jahrhundert vorstellen, welches ich von Wilma aus dem Buchbestand ihrer langjährigen Bekannten Waltraut (69) aus Wels / Österreich erhalten habe.
Wally hat von ihrer Großmutter 2 sehr seltene und daher heutzutage richtig teure Bücher der Mundköchin und Hauswirtschafterin „Marianka“ geerbt.
Sie freut sich außerordentlich, dass wir richtig großes Interesse am Inhalt dieser Druckwerke (in altdeutschen Lettern gedruckt) haben und will uns jederzeit mit Informationen, digitalen Kopien unterstützen.
Im heutigen Beitrag erfahren wir dank Wilma nun, mit welchem Wissen, welcher Eifer und welchem Ziel unsere Altvorderen sich der Tierzucht gewidmet haben, als Tiere noch keiner Massenproduktion ausgeliefert waren. Tierleben war bestimmt zu keiner Zeit ein erstrebenswertes Daseinsziel, wurde aber vor 170 Jahren sicherlich noch nicht so abartig massenhaft ausgeübt wie heute.
Gitti – 05.09.2021
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Von der Behandlung der Schweine
Das Schwein ist für jede größere Haushaltung ungemein nützlich; selbst den Aermsten bietet es große Vortheile. Es ist fruchtbar, begnügt sich mit geringer, sonst werthloser Kost, gibt eine gute Nahrung, und deckt viele unentbehrliche Hausbedürfnisse.
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1. Die Schweinezucht.
Für die Zucht hält man junge, muntere Schweine von einem Frühlingwurfe. Die untrüglichsten Kennzeichen von der besten und nützlichsten Art der Schweine sind: eine weiße Farbe, ein langer Rüssel, lange schlappige Ohren, langer Leib, runder dicker Rücken und Kreuz, kurze und starke Füße und eine gewisse Vorliebe für Reinlichkeit, so viel nämlich von den Schweinen gefordert werden kann.
Man wählt überhaupt jene Race, welche in der Gegend am besten gedeiht.
Man läßt die Mutterschweine gewöhnlich des Jahres zweimal ferkeln, wo man es so einzurichten sucht, daß dasselbe zu einer Zeit geschieht, wo die Jungen nicht mehr von der Winterkälte leiden, und wo sie vortheilhaft, abgesetzt werden können. In dieser Beziehung ist die Zeit zwischen Lichtmeß und Ostern sehr geeignet, um die Ferkel gut absetzen zu können. Die Zeit der Begattung richtet man gewöhnlich auf den Monat October und März oder April.
Ein Eber reicht für fünfzig und mehr Mutterschweine hin, und taugt drei bis vier Jahre. Man läßt ihn mit einem Jahr zur Paarung. Das Mutterschwein taugt fünf bis sechs Jahre zur Zucht, worauf man es (unverschnitten oder verschnitten) mästet. Es geht 16—18 Wochen trächtig.
Geht die Tragezeit zu Ende, so muß dem Mutterschwein mit Kleie oder geschroteter Frucht zugesetzt, und einige Tage vor dem Wurfe ein paarmal ein lauer Kühltrunk, mit etwas eingerührtem Gerstenschrot und mit abgekochtem Leinsamen oder mit Glaubersalz vermischt, gereicht werden.
Um die Wurfzeit ist genaue Aufsicht vonnöthen, auch muß dem Mutterschwein zuvor ein warmer Stall mit kurzer Streue verschafft werden; und sehr bequem ist ein zweiter Stall, der damit durch eine kleine Thüre verbunden ist. Wenn das Mutterschwein sich im Stroh ein Nest, ein Lager, gleich einem Kessel, bereitet, oder wenn die Zitzen, anschwellen, und Milch sich ausdrücken läßt, dann ist die Zeit des Wurfes ganz nahe. Während der Geburt braucht es keine Hilfe, wenn es fromm ist, und den jungen Ferkeln nicht zu schaden sucht.
Nur wenn ein Ferkel in einer Querlage kommt, ist Nachhilfe mit der Hand nöthig.
Manche Mutterschweine kommen in eine Art Raserei, und fressen die Neugebornen auf. In einem solchen Falle zieht man diese mit einer Krücke weg, bis das Mutlerschwein weniger Schmerzen merken läßt.
Die Jungen gehen gleich an die Zitzen. Haben sie sehr scharfe Zähne, daß sie die Zitzen verwunden, so muß man sie mit einer Zange abkneipen. Der Stall muß geräumig seyn, sonst werden die Jungen leicht beschädiget.
Nach dem Wurfe gebe man dem Mutterschweine zwar das nahrhafte Futter fort, aber wenig im Anfang, von Woche zu Woche etwas mehr, und wenn die Ferkel einmal größer geworden sind, und die Mutter mehr in Anspruch nehmen, gebe man ihr so viel sie mag, damit die Alte und die Jungen nicht Noth leiden, oder wie man sagt, nicht verbutten. Täglich wenigstens viermal ein gutes, aus Kleien, Nachmehl, geschrotener Frucht oder gekochten Kartoffeln und lauem Wasser bestehendes Tränkel ist das zuträglichste Nahrungsmittel.
Saure Milch, unreifes Obst, grüne und nasse Futterkräuter, Klee, Kohlblätter und dergleichen Abfälle aus dem Feld- und Gartenbau, rohe Kartoffeln u. dgl. taugen während dieser Zeit nicht zur Fütterung.
In der vierten Woche werden jene Ferkel, welche man nicht verspeiset oder zur Zucht bestimmt, verschnitten.
Schon vierzehn Lage vorher kann man sie an das Saufen süßer Milch gewöhnen, die man nach und nach mit Wasser, Kartoffeln u. dgl. mischt, bis die gewöhnliche Nahrung der Schweine vertragen wird.
Die grüne Weide ist für die Ferkel besonders zuträglich.
Das Wachsthum befördern: frischer Klee, alle Gartenabfälle, Kartoffeln, saure Milch, Spühlig u.s.w.
Bei der Schweinzucht beachte man folgende Regeln:
1. Von den benannten Futterstoffen wirken die Kartoffeln besser, wenn sie gekocht oder gedämpft, dann verkleinert und mit Spühlig oder Milch vermischt werden.
2. Die flüßigen Nahrungsmittel suche man, wo möglich, mit festern, und die weniger nahrhaften mit nahrhaften zu mischen.
3. Gekochtes Futter darf man niemals heiß verfüttern.
4. Die Futterzeiten halte man regelmäßig ein, und gebe jede Futter-Portion zur gehörigen Zeit.
5. Ehe man die Futterstoffe in den Trog bringt, muß man denselben zuvor reinigen.
6. Die Futter-Portionen gebe man in der Menge, so daß sie jedesmal aufgezehrt werden können.
2. Die Schweinmastung.
Junge Brühlinge mästet man mehr auf zartes Fleisch als auf Speck. Zu Speckschweinen nimmt man größere Brühlinge (Läufer) und ältere Schweine.
Man beginnt die Mastung mit gesottenen oder gedämpften Kartoffeln, die aber zuvor sorgfältig abgekühlt werden müssen, geschroteter geringer Frucht oder Mehltrunk; später kommt zur Vollendung der Mästung ganzes und gesottenes Korn, als Welschkorn (Mais), Erbsen, Linsen, mit einem Mehltrunk, oder auch nur mit » Wasser, das stark mit Kleie oder auch sonst mit geringem Mehl verdickt ist. Je mehr die Mastung ihrem Ende naht, desto geringer wird die Freßlust; daher glbt man oft und kleine Portionen.
Der Trog muß vor der Fütterung immer gereiniget werden.
Sauer gewordenes Futter taugt nicht, deßhalb darf auch das Spühlig nie alt werden, sondern es muß immer so frisch als möglich zur Fütterung kommen.
Reinlichkeit im Stalle, besonders trockenes Lager unterstützt die Mästung. Auch kann sie dadurch befördert werden, daß man beim Anfang Morgens nüchtern in saurer Milch ein halbes Loth pulverisirtes Spießglas (antimonium crudum) gibt und solches alle vierzehn Tage wiederholt.
Wenn das fette Schwein einmal faul wird, viel liegt und schwer athmet, dann darf man das Schlachten nicht lange mehr verschieben, sonst könnte es ersticken.
3. Krankheiten der Schweine und ihre Heilung.
Die Halsgeschwulst (Bräune, Kropf, Sau-Schädelkrankheit) ist gefährlich. Es zeigt sich bei dieser kropfähnlichen Geschwulst auch Hitze, keuchendes Athmen, schweres Schlucken u.dgl.
Das erste Mittel ist ein Aderlaß durch ein zolllanges Aufschlitzen der Ohren, dann Kleientrank mit einem Eßlöffel voll in heißem Wasser aufgelösten Glaubersalz.
Bei angestrengtem Würgen kann man auch ein Brechmittel (5 Gran Brechweinstein in lauem Wasser auf zweimal) geben.
Auch Klistire mit Oel und Seifenwasser sind gut. Man legt das Schwein dabei, so wie beim Eingeben, auf den Rücken, und läßt es bei den Füßen festhalten.
Hilft dies nicht, so tödte man das Thier, weil bei reiner Bräune das Fleisch etc. noch genußbar ist.
War die Bräune aber ein Zeichen des Milzbrandes (laufendes Feuer, Halsbrand), einer ansteckenden Seuche, welche selbst dem Menschen gefährlich ist, so muß das Thier mit Haut und Haar verscharrt werden; man muß sich sogar hüten, mit den Excrementen oder dem Blute desselben sich zu beschmutzen.
Die Brustentzündung, Lungenentzündung, Lungenbrand. Hitze, Schwerathmen, Husten, Durst, trockene Nase, hartes Misten, wenig Harnen, steife, vorwärts gebogene Füße u.s.w. bezeichnen diese Krankheit.
Zur Heilung verfährt man, wie bei der Bräune, gibt 8 Loth Glaubersalz mit einem Loth Salpeter mit Honig abgerührt aus vier Portionen abgetheilt für den Tag, und dabei reichlichen Kleientrank. Wird es in zwei Tagen nicht besser, so schlachte man das Schwein. Fleisch und Fett sind zu benützen.
Der Durchfall rührt gewöhnlich von schlechter Witterung und ungesunder Nahrung her. Man halte das Thier daher in einem reinen, warmen Stall, gebe ihm gute, gekochte Nahrung, und wenn dies nicht hilft, einen Absud von Kalmus, Wermuth und Münzen nebst Kleienwasser.
Die Finnen, die Klauenkrankheit, die Raude, so wie viele andere Krankheiten überläßt man lieber der Behandlung des Thierarztes.
Folgende Vorbaumittel dürften gegen viele Krankheiten der Schweine schützen:
1. Zweckmäßige Fütterung und Pflege; zur Fütterung gebe man gesundes und nicht verdorbenes Futter. Bei heißer Witterung reiche man besonders kühlendes Futter, wie Salat, grünen Klee, Krautblätter etc. Nach einer Erhitzung gebe man ja keine zu stark abkühlenden Getränke.
2. Die Ställe lege man so an, daß sie weder zu warm, noch zu kalt und naß sind.
3. Tritt ein warmer Regen ein, so lasse man die Schweine aus dem Stalle.
4. So lange ein Reif auf den Pflanzen liegt, oder bei naßkalter Witterung treibe man die Schweine nicht auf die Weide. Ebenso unterlasse man das Weiden während der starken Mittagshitze.
5. Reinlichkeit ist jedem Thiere, so auch dem unreinlichsten, dem Schweine zuträglich.