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1874 – Das wunderthätige Wasser von Lourdes

by Concierge

Ein ganz besonderes Dankeschön an Suzanna aus Bruck a.d.Mur. Sie berichtete über 150 Jahre altes, wirklich Interessantes aus ihrer Heimat:

“Anfang des Jahres des Herrn 1874 veröffentlichte die ‘Redaction des steiermärkischen Volksbildungsvereins’ einen deutlich kritischen Artikel über unwürdige Praktiken der katholischen Kirchendienerinnen und Kirchendienern im strenggläubigen Ländle.
Mit dem Verkauf kleiner Fläschchen, in welche irgendwelche Geistliche(?) ein heilversprechendes, ominöses Wässerchen eingefüllt hatten, wollten sie auf Kosten der an Gott den Herrn und die Heilkraft seiner Heiligen glaubenden Kirchenanhänger ein lukratives Geschäft realisieren.
Gruß und Segen zum Jahreswechsel
Suzanna” 

 

Der Originaltext lautet(e):

< Das wunderthätige Wasser von Lourdes >

Das wunderthätige Wasser von Lourdes in Frankreich ist, wie die „Tagespost” berichtet, nun bereits auch in Steiermark angekommen und wird von den frommen Schulschwestern in Eggenberg in wohl- versiegelten Flaschen an hilfsbedürftige Individuen verabreicht.

Dieses Wasser „nützt bei allerlei Krankheiten, sonderlich aber der Äugen, und selbst Staarblinde werden wieder sehend”, nämlich — wie die Schulschwestern sagen — wenn sie den rechten Glauben haben.
Der den Glauben nicht hat, an dem ist das Wasser verloren; wer aber so den echten, vollen, ganzen Glauben besitzt, an dem wirkt das Wasser Wunder.
Warum hilft das Wasser nur jenen, welche glauben?
Warum hilft überhaupt nicht der rechte Glaube allein und ohne Wasser?

Diese beiden Fragen wissen wir zu beantworten.
Mit solchen, die gar nicht daran glauben, ist überhaupt kein Geschäft zu machen.
Solchen, die ein wenig, aber nicht fest glauben, und in ihrer Noth nur das Wundermittel probiren wollen, hilft es auch nicht, weil sie nach ein paar Versuchen es wieder aufgeben, über die
Erfolglosigkeit sich beklagen und andere dann davon abreden.
Nur solche, welche fest und recht daran glauben, können auch fest und recht damit beschwindelt werden.

Wenn sich diese Opfer des Glaubens auch zehnmal von der gänzlichen Nutzlosigkeit des Wunderheilmittels an sich selbst überzeugen, so glauben sie doch fest und recht, nur ihr schwacher Glaube und ihre Sünden wären am Mißerfolg Schuld. Sie schweigen, beichten und büßen, und gehen wieder hin und kaufen wieder.
Darum wird das Schwindelmittel nur starkgläubigen — Staarblinden empfohlen.
Warum hilft denn der Glaube an die Wunderthätigkeit des Wassers von Lourdes nicht allein schon allerlei Krankheiten und selbst die Staarblindheit?

Darum, weil man den Glauben nicht in versiegelten Flaschen verkaufen kann, das Wasser aber wohl!

Unsere Behörden mögen darüber wachen, daß französische Gaunerei nicht auch bei uns ihre Opfer suche. Wir haben ein Strafgesetz, welches sagt:

Wer den Schwachsinn eines anderen durch abergläubische oder sonst hinterlistige Verblendung zu dessen oder eines dritten Schaden mißbraucht, ist ein Betrüger.

Diese Gesetzesbestimmung mag vielleicht im Jahre 1852 bloß für Zigeunerinnen geschaffen worden sein, sie könnte aber gewiß mannigfache anderweitige Anwendung finden.

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