Home Hausgarten 1825-1850, 1914 – Kohlrabiblätter als Lebensmittel

1825-1850, 1914 – Kohlrabiblätter als Lebensmittel

by Arthur Piefke

Meine Urgroßmutter „Frieda Erna Elisabeth …..“ erhielt zu Ihrer Hochzeit am 26.05.1928 von ihrer kinderlosen Schulfreundin „ Hedwig Theresa …“ ein bereits Jahrzehnte existierendes, handschriftlich verfasstes, richtig dickes Rezeptbuch.
Mir scheint, die Gewichtsangaben und Maßbezeichnungen der ersten Eintragungen deuten auf eine Schreiberin im Königreich Hannover, die in ländlicher Gegend, vielleicht auf dem Dorfe oder einem Bauernhof lebte, kochte oder zumindest im Haushalt tätig war.

Die ersten handschriftlichen Eintragungen sind ziemlich einfach abgefasst und handeln von recht einfachen Speisen.
Gleich zu Beginn beschäftigt sich die Verfasserin ausdrücklich mit dem Hausgarten.
Ich schreibe daraus – passend zum Monat August – einmal einige „Küchenanweisungen“ ab.
Thema Kohlrabi.

Die damalige Küche hat offensichtlich alles Verwertbare verwertet. Was die Natur an Nahrhaftem produzierte, wurde von der Bevölkerung zu ihrer Ernährung herangezogen. So vollständig wie möglich. Wählerisch konnte man seinerzeit nicht sein.
Einfache Produktionsmittel, zeitgemäße Anbaumöglichkeiten und bescheidene Ernteerträge ließen im frühen 19. Jh. die Wahl an Speisegrundlagen und -zutaten für die einfache Bevölkerung überschaubar bleiben.

Speziell macht sich die damalige Hausfrau über die Blätter der Kohlrabipflanze her.
Auch damals wurden diese von der Kohlrabiknolle abgetrennt. Heutzutage landen die Blätter eher im Bio-Hausmüll, werden als Tierfutter verwertet oder verrotten auf den Komposthaufen.
Nur selten werden diese noch zur Herstellung von Suppen oder Salaten herangezogen.

Kochbuchschreiberin No. 1 hinterließ uns zum weißen Kohlrabi und dessen Blattwerk folgende Notizen:

Frühen Siamkohl zu Suppe machen.
Bringe knapp zwei Quart frisches Wasser auf den Herd und bringe es zum Kochen.
Dazu kein Brunnenwasser nehmen.
Putze frisches, zartes Blattgrün, zwei mittlere Pastinak oder vier Wurzeln des Petersil und vier kräftige Stangen vom Porree, alles zu gleichen Theilen, in reinem Wasser sauber.
Wer es vermag kann auch einen Anteil von vier „Paradiesäpfel“ dazu thun.
Die Blätter des Siamkohl in kleine Stücke „zerreißen“.
Alles in das kochende Wasser geben. Auch die in acht Theile geschnittene Kohlknolle.
Salz dazu.
Kochen bis die Knolle weich ist.
Alles durch einen mittleren Durchschlag geben.
Im großen Kochtopf etwas Butter aufsieden und einige Löffel gesiebtes Mehl braun rühren.
Die durchgeschlagene Suppe dazugeben. Dabei immer rühren.
Die Suppe etwas wallen lassen. Petersil und auch Schnittloch kleinwiegen und hinzugeben.
Die heiße Suppe vom Feuer nehmen und eine gute halbe Stund‘ werden lassen.

Meine Großmutter „Ellinore Charlotte“ wusste zu Lebzeiten davon zu berichten, dass Ihre Mutter in den Elendsjahren des 1. Weltkriegs aus fast allen Kohl-, Rüben- und Kohlrabiblättern Klößchen hergestellt und der Familie immer wieder Kohlsuppen auf den Tisch stellte.
Fleisch war absolute Mangelware.
Nach den Schilderungen meiner Großmutter stammt dieses Rezept sogar für sie aus unvorstellbar alter Zeit. Sie hat diese Kohlklöße nämlich bereits von ihrer Großmutter vorgelegt bekommen, welche immer erwähnte, dass schon sie in ihren Kinderjahren mit diesen Kloßsuppen zu leben hatte.

Die Basis ähnelt der des ersten Rezeptes.
Alles wird so fein wie möglich gewiegt.
Schnittlauch und Petersilie werden bereits in diese Masse eingearbeitet.
Mit Pfeffer und Salz abschmecken.
Auch andere Gewürze sind interessant.
Einige Minuten in Butter dünsten.
Masse muss locker bleiben, darf nicht zu trocken sein.
Abkühlen lassen.
Eier, Mehl und geriebene Semmeln hinzufügen,
rühren, bis ein klebender, haltbarer Teig entstanden ist.
Kleine Kloßkügelchen formen.
In Fleischbouillon oder Gemüsebrühe aufwallen – nicht sieden – lassen.

Wir machen uns auch recht häufig eine solche Kohl-Kloß-Suppe.
Je nach verwendeten Gewürzen stellen wir immer neue Varianten her.
Sogar asiatischen Geschmack haben wir ausprobiert.
Ein sehr interessantes Lebensmittel.
Wir dünsten allerdings nicht in Butter. Wir verwenden Rapsöl.

Versucht es.
Es lohnt sich wirklich.
Ihr werdet überrascht sein.

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1852 schreibt C.G.Calwer in seiner landwirtschaftlichen und technischen Pflanzenkunde:
Die jungen, fleischigen Stengelknollen, wie auch die Blätter der Kohlrabi, geben ein nahrhaftes und wohlschmeckendes Gemüse, welches aber seiner blähenden Wirkung wegen eine gute Verdauungskraft verlangt. Die Kohlrabi sind ein gutes Viehfutter und werden theilweise häufig auch deßhalb angebaut.“

 

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