Home Hausmittel-Gesundheit 1840 – Hausmittel gegen Flüsse am Haupte

1840 – Hausmittel gegen Flüsse am Haupte

by de olde Grotmüdders

Mittel gegen Flüsse am Haupte

Was man einen Fluß nennt, besteht in einem Antriebe oder einer Häufung der Säfte in gewissen Theilen des Hauptes oder des Körpers, die aber nicht immer zu einem Ausflusse gelangen können. Sie sind meistentheils mit einem kleinen Fieber vergesellschaftet und entstehen oft von einer Erkältung oder auch von einem besondern Reize in gewissen Theilen, der durch die geringste Veranlassung rege gemacht wird.

Die gewöhnlichen Flüsse des Hauptes sind:
Erhitzung und Triefen der Augen; Ohrenschmerz und Klingen und Sausen in den Ohren, Verstopfung in der Nase (Stockschnupfen) und fließender Schnupfen; Zahnschmerzen und Reißen in den Backen und im ganzen Kopfe etc.

Wer zu dergleichen Flüssen geneigt ist, gewöhne sich zeitig, den Kopf täglich mit kaltem Wasser zu waschen und die Füße warm zu halten. Sobald man einen Fluß spüret, nehme man ein lauwarmes Fußbad und schlage ein kaltes nasses Tuch um den Kopf, vorzüglich an dem leidenden Theile. Überhaupt ist es bei allen Flüssen ohne Ausnahme sehr dienlich, daß man sich täglich öfters das Gesicht, den ganzen Kopf und den Hals mit dem kältesten Wasser wasche, und es, ohne abzuwischen, von selbst wieder trocknen lasse.

Die allgemeine Kur am Haupte besteht darin, daß man gleich nach geschehener Erkältung oder gehinderter Ausdünstung die letztere wiederherzustellen sucht. Dazu dienen warme Getränke, besonders Molken mit Weinessig zubereitet, oder Hollunder-, Melissen- und Salveithee, daß Reiben des Leibes, besonders der erkälteten Theile, mit wollenen Tüchern, vorher aber ein lauwarmes Fußbad, in welches man ein paar Hände voll Kleie oder etwas Salz hineingeworfen hat, worauf man im Bette den Schweiß abwartet.

Wenn hierdurch der Fluß nicht abgewendet worden ist und sich schon eine fieberhafte Hitze eingestellt hat, die bei Erwachsenen einen Aderlaß erfordert, so nimmt man den nächsten Morgen eine Purganz von Jalappenwurzel, und alle Morgen und Abende ein Pulver von 20 Gran Salmiak, 30 bis 40 Gran Cremortartari und 10 Gran Salpeter. Kinder nehmen nach Verhältniß weniger; laue Fußbäder werden täglich, und die Purganzen um den dritten Tag genommen.
Mit dieser allgemeinen Kur verbindet man nun die äußerlichen Mittel, die für jede besondere Art der Flüsse dienlich sind.

Bei Flüssen an den Augen, die sich durch Hitze, Röthe und Geschwulst, auch wohl durch häufiges Thränen offenbaren, sucht man denselben gleich anfangs, ehe die Entzündung groß wird, durch kühlende, zertheilende und gelind zusammenziehende Mittel Einhalt zu thun.
Diese Mittel sind bei kleinen Kindern das Anhauchen von Jemand, der Fenchel oder Anis kauet, oder das öftere Bestreichen der Augenlider mit kaltem Theewasser oder Wein, welches überhaupt den zu Augenflüssen Geneigten als Präservativmittel täglich zu rathen ist.

Kräftiger wirken folgende Mittel: 8 Loth Rosenwasser, worin 1 Quentchen roher Alaun und 10 Gran Bleizucker aufgelöset worden sind. Oder: man nimmt 8 Lot- Brunnenwasser und löset 5 Gran Vitriol darin auf; oder das Goulardische Wasser, oder 6 Theile Wasser mit einem Theile Branntwein vermischt; oder 3 Theile Weinessig und 1 Theil Campherspiritus unter einander gemischt.

In irgend eine dieser Flüssigkeiten taucht man leinene Läppchen und legt sie auf die Augen. Ein besonderes Mittel, welches in einem halben Tage Schmerz und Hitze aus den Augen vertreiben soll, ist dieses: Man schlägt Eiweiß mit ein wenig Campher und Zucker auf einem zinnernen Teller zu Schaum, streicht es auf Leinwand und bindet es um die Stirn. Die Augen öfters in kaltes Wasser gehalten, ist auch gut.

Mit dem Gebrauch dieser Mittel muß man immer solche verbinden, die den Zufluß von den Augen abhalten, z.B. einige Blutigel (wohl ein halbes Dutzend) an die Schläfe und nahe an den äußern Augenwinkeln, und die Wunden nachher noch einige Stunden bluten lassen, indem man sie oft mit einem in warmes Wasser getauchten Schwamme abwischt, oder welches am schnellsten helfen soll, den Hinterkopf zu schröpfen oder Haarseile durch die Ohren zu ziehen, oder ein spanisches Fliegenpflaster hinter die Ohren oder an den Nacken zu legen.

Hätte die Entzündung schon sehr überhand genommen, so sind zwar diese ableitenden Mittel und die ganze innerliche Kur desto nöthiger, aber äußerlich dienen dann schmerzlindernde, zertheilende Bähungen besser, als die kühlenden Mittel. Diese sind der Dampf von warmer Milch oder das Waschen der Augen mit warmer Milch, worin reichlich Safran aufgelöst worden ist, oder hineingetauchte aufgelegte leinene Läppchen, oder ein warmer Verband von Semmel und Milch und etwas Safran gekocht, alle 2 Stunden aufs Auge gelegt. Des Nachts kann man von faulen oder gebratenen Äpfeln etwas auf Leinwand über das Auge schlagen und früh die Augenlider mit warmer Milch und Wasser aufweichen.

Wenn ein scharfes Wasser aus den Augen rinnt und die Theile erhitzt, so macht man mit Rosenwasser einen Schleim von Quittenkörnern oder Flohsamen, bringt ihn ins Äuge, löscht ein angebranntes Stück Weihrauch öfters in Rosenwasser ab vermischt es mit eben so viel Frauenmilch, taucht in diese Mischung ein leinenes Läppchen und legt es die Nacht über auf.

Wenn sich bei Kindern Flecken oder ein Fell im Auge zeigen, so muß man sie oft purgiren und ihnen das feinste Muschelschalenpulver oder zubereitete Tutia (totia praeparata), mit gleich viel Zucker vermischt, oder gleiche Theile Salmiak und Zuckercandis mit einander vermischt, alles höchst fein pulverisirt, hinein blasen, oder Tutiensalbe in die Augenwinkel streichen. Ein Pulver von gleichen Theilen weißen Zucker, Bolus und Weinsteinkrystallen vorsichtig eingestreut, soll bei Augenfellen wundersam helfen und zugleich der Ent­zündung steuern.

Das sogenannte Gerstenkorn am Auge ist eine Finne oder eiterndes Blutgeschwür am Augenlide, das man anfänglich mit den obigen kühlen­den Augenmitteln zu vertreiben sucht. Wer zu dergleichen Geschwüren geneigt ist, thut wohl, wenn er die Augenlider täglich mit goulardischem Wasser wäscht und sich der eben angeführten Methode bedient, die Flüsse zum Haupte zu verhüten. Ein gutes Mittel ist auch, wenn man täglich eine gute frische Gartenschnecke auflegt.

Geschwollene Backen muß man mit weichem Flanell oder Schafwolle bedecken und sich kühlender Getränke bedienen. Ist Schmerz bei der Geschwulst, so legt man Umschläge von Semmel in warme Milch getaucht darauf.

Die Flüsse in den Ohren sind entweder schmerzhaft, wohin vornehm­lich der Ohrenzwang gehört, oder sie verletzen nur den Sinn des Gehörs, wie das Sausen und Brausen vor den Ohren oder manche Arten von Taubheit.
Die Ohrenschmerzen sind sehr grausam; das Blutlassen ist hier fast unentbehrlich, wenigstens müssen doch Blutigel oder Schröpfköpfe in der Nachbarschaft des Schmerzes angebracht werden.
Die warmen Bähungen geben die beste Erleichterung.
Der Dampf von warmem Wasser und Milch mit einem umgekehrten Trichter ins Ohr geleitet, oder warme Umschläge von Semmel mit Milch gekocht, oder Camillen- und Hollunderblüthen in Milch gekocht und in einer halb damit angefüllten Blase umgebunden; so wie Gurgelwasser von Möhren, Salvei, weißer Pimpinellwurzel etc. in Wasser gekocht, sind anfangs beständig nöthig.
Wenn aber davon der Schmerz nicht nachläßt, sondern das Pochen im Ohre eine Vereiterung anzeigt, so muß man erweichende Umschläge und Gurgelwasser von erweichenden Kräutern anwenden, zuweilen einen Tropfen warmer Milch oder warmes Baumöl, oder süßes Mandelöl in den Gehörgang laufen lassen, den Dampf von erweichenden Decoeten hineinbringen, und zuletzt, wenn Eiter ans dem Gehörgange fließt, warmes Gerstenwasser mit Rosenhonig und ein wenig Myrrhenessenz vermischt einspritzen. Hitzige Dinge darf man durchaus nicht ins Ohr bringen.

Wenn das Ohr schmerzt, ohne daß Spuren von einer Entzündung da waren, so kann man Tabacksrauch ins Ohr blasen, Baumöl, worin ein Tropfen Laudanum gemischt ist, hineinlaufen lassen, warmes Brod, worin man viel Anis, Kümmel und Fenchel geknetet hat, vors Ohr bin­den und eine Wicke davon ins Ohr stecken.

Beim Sausen und Brausen des Ohres kann man versuchen, ein Stückchen ganzen Kampher oder ein wenig Ambra, Moschus oder Biber­geil in Baumwolle gehüllt, ins Ohre zu tragen. Auch hier hilft zuweilen das obige Gurgelwasser von Majoran etc., der Dampf von Weihrauch, Mastir, Bernstein ins Ohr gelassen, oder das öftere Anlegen von leinenen Lappen in kochendes Wasser getaucht, so heiß, als es zu vertragen ist. Zuweilen ist das Sausen in einem Augenblicke zu vertreiben, wenn man mit einem kleinen Trichter die Luft mit Mäßigung aus dem Ohr saugen läßt.

Es giebt auch Sausen und Klingen der Ohren von Vollblütigkeit, von Erhitzung, von einer besonderen Empfindlichkeit der Nerven u.s.w., die alle Ihre besondere Kur erfordern. Bisweilen hilft es augenblicklich, im letzteren Falle, wenn man ein paar Tropfen Cajeputöl auf Zucker nimmt und dieses wiederholt, so oft das Sausen wiederkommt.

Wenn schweres Gehör oder Taubheit bloß von Flüssen herrührt, so gebraucht man eben die Mittel wie beim Ohrenschmerz und beim Sausen und Brausen der Ohren. Nur wenn Feuchtigkeit der Wohnung die Ursache davon ist, nimmt man äußerlich lieber trockene, zertheilende Kräuter zu den Umschlägen und legt ein Zugpflaster in den Nacken oder an die Schläfe, nicht aber hinter die Ohren.

Sehr oft kommt die Taubheit von dickem und verhärtetem Ohren­schmalz im Gehörgange. Wenn sich dieses nicht leicht mit einem Ohrlöffel herausbringen läßt, so muß man es mit einigen Tropfen scharf gesalzenem Wasser oder Seifenwasser, oder Baumöl, oder Zwiebelsaft, die man alle Abende warm ins Ohr laufen läßt, oder mit Tabacksrauch erweichen.

Gertrud – 20.Juli 2021
Aus dem Receptbuch der Johanna Schröder aus Hannover von 1842

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