Anweisungen und Regeln
für
die erfahrene Hauswirthschafterin
zu wohlfeiler Hülfe
bei der Führung ihres Haushalts.
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Freie Hansestadt Bremen
~1823
» Allerlei Flecken aus Zeugen zu entfernen «
Bremisches Kochbuch Auflage 3 – ~ 1823 – Betty Gleim
Obst- und Weinflecken.
Was unsere Ururgroßmütter anderen Ururgroßmüttern beim Plausch als Ratschlag gab:
Hat man versäumt, sie gleich mit kaltem Wasser auszuwaschen: so weicht man sie, wenn sie sich in weißen Zeugen befinden, in oxydirte Salzsäure (oxydirtsalzsaures Kali oder Javellischen Liquor (Lau de Lavelle) jedes mit eben so vielem oder mehr Flußwasser verdünnt. Hierin läßt man den Flecken, den man vorher mit reinem Wasser ausgewaschen hat, 24 Stdn. liegen, worauf er völlig verschwunden sein wird, ohne dem Zeuge zu schaden. Dann wird dies gewaschen.
Oder man vermischt in einer Obertasse 1 Theelöffel voll gepülverten Braunstein mit 1 Eßlöffel voll Salzsäure, und setzt sie in eine Obertasse voll heißen Wassers. Es steigt ein scharfer Dampf auf, dies ist oxydirte Salzsäure. Hält man den mit Wasser angefeuchteten Flecken über den Dampf: so vergeht er in wenigen Minuten.
Oxydirt salzsaures Kali oder Kalk, wozu man ein wenig Schwefelsäure setzt, leistet dasselbe.
Rothwein-Flecken pflegen schon zu verschwinden, wenn man sie mit kochendem Branntwein auswäscht, oder sie in warme Milch legt, 1 oder 2 Nächte darin liegen läßt, Schwefel anzündet, ihn unter den nassen Flecken hält, und ihn trocknet.
Bei gefärbten Zeugen muß man seine Zuflucht zur schweflichten Säure*) nehmen. Diese wirkt nicht so stark auf die Farben ein. Weder Blau und Rosa auf Seide, noch gelbe Farbe auf Baumwolle, noch alle Farben, welche durch Gallussäure hervorgebracht werden, werden dadurch verändert. In allen diesen Fällen also kann man diese Säure anwenden. Die Flecken werden damit wiederholt genetzt, bis sie verschwinden, worauf die Stelle mit Wasser gewaschen wird.
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*) Die schweflichte Säure wird so bereitet.
Man setzt eine Untertasse mit gelbem, gepulvertem Schwefel, oder Schwefelfaden in eine irdene Schüssel, in der sich reines Wasser befindet. Dann zündet man den Schwefel an, und deckt schnell eine große Glasglocke darüber, die man mit lauem Wasser ausgespült hat. Die aufsteigenden Schwefeldämpfe verbinden sich mit dem Wasser, und stellen damit die schwefelichte Säure dar. Sobald sich die Dämpfe gesetzt haben, zündet man den verloschenen Schwefel von neuem an, und wiederholt dies so oft, bis die Säure stark genug geworden ist. Sie muß in einer Flasche, die mit einem getränkten Kork wohl verschlossen ist, aufbewahrt werden. Sie hält sich aber nicht lange.
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(K002b/543 – Nro.1f)