Lieber Leon, Gitti hat Dir folgende Nachricht geschickt:
Zuerst habe ich Dir heute zumindest erst einmal die grundlegende Passage aus der zeitgemäß umständlichen „Vorrede“ in die heute übliche Schreib-/Druckschrift übertragen.
Ich gehe davon aus, dass Dir die bis vor 100 Jahren übliche Frakturschrift nicht geläufig ist.
Ich habe viele Bekannte, die diese Schrift ebenfalls nur schwerlich entziffern können bzw. jeden Versuch gleich ganz und gar unterlassen.
Ich habe die Texte der “Vorrede” an das Ende dieses Blog-Eintrags gestellt.
Damals war es sehr üblich, dass der Autor sich in seinen Dankesworten und Lobhudeleien regelrecht besoffen schrieb, ehe er zu dem eigentlichen Anliegen seines Druckwerkes kam. Ich habe hier Vorworte vorliegen, die über zig Seiten gehen und nach deren Lektüre ich so erschöpft gewesen bin, dass ich kaum noch Lust auf den eigentlichen Inhalt des Buches verspürte.
Aber so war das damals.
Die Menschen waren in ein Leben eingebunden, in dem es vorwiegend um den gesellschaftlichen Stand ging. Adelige – in all ihren unterschiedlichen Graduierungen – hatten alle Vorrechte, dann folgten die oberen Militärs, sowie ihre direkten Untergebenen, dann die Mitarbeiter in den staatlichen Verwaltungen (sie kannten sich allesamt im erfolgreichen Katzbuckeln bestens aus). Unter ihnen reihten sich die Großbürger, Fabrikanten und Gutsbesitzer in die Rangfolge ein.
Am Schluss standen die einfachen, kleinen Leute, die Handwerker, Arbeiter, Knechte, Hausangestellte, Kleinbauern, Landarbeiter und Tagelöhner. Sie schauten traditionsgebunden seit Generationen zu den „oberen Zehntausend“ auf, zogen den Hut, machten ehrerbietig ihren Diener und lebten ihr einfaches Dasein in der Annahme, die Gesellschaft sei von Gott genau so gewollt.
Die Kirchenleute predigten ihnen ja an jedem Wochenende, dass sie ihrem irdischen Herren gefälligst folgsam zu sein hätten und ja nicht aufmucken sollten.
Einige Begriffe, die der Autor bereits in der Vorrede (dem Vorwort) drucken ließ, sind uns heutzutage komplett unverständlich.
So soll sich der Autor beim „öffentlichen Schatze“ melden, um dort das Geld abzuholen oder er hatte es mit dem „Büreau consultatif der Künste und Manufacturen“ zu tun.
Auf der Website –> Die Appert‘sche Konservierung wird beschrieben wie es sich zugetragen hatte, dass Appert es zur frühen Vorstufe des heutigen „Einkochens“ geschafft hat.
Ebenso hat der –> Deutschlandfunk“ am 01.06.2016 einen rühmlichen Nachruf auf den „Erfinder“ des Einkochens veröffentlicht.
Ich habe 2 Ausgaben des Druckwerks „auftreiben“ können.
a) Die deutschsprachige Erstausgabe (d.h. die –> Übersetzung aus dem Französischen = gedruckt im Jahr 1811 (digitalisiert und veröffentlicht durch Google-Books und aktuell im Handel für 1.770 Euro vorgefunden) und b) ein –> Exemplar der 3. Auflage aus dem Jahr 1832 (digitalisiert und veröffentlicht bei dem Münchener DigitalisierungsZentrum. Wie hoch der Handelspreis dieser Ausgabe ist, konnte ich nicht in Erfahrung bringen).
Wer sich – wie wir – für die Geschichte des 19. Jahrhunderts und das beschwerliche Leben unserer Vorfahren aus dieser Zeit – dem einfachen Stande zugehörig – interessiert, ist gut beraten, eines dieser Exemplare zu lesen (es gibt bereits Nachdrucke).
Die Geschichte der Entwicklung des Konservierens durch die Ausdauer des Herrn Appert ist jeden ihrer Buchstaben wert.
Vorrede aus der Übersetzung von 1811:
“Die Kunst, alle animalischen und vegetabilischen Substanzen mehrere Jahre lang in ihrer ganzen Frische, und mit allen ihren natürlichen Eigenschaften zu erhalten, gehört gegenwärtig nicht mehr unter jene zweifelhaften Erfindungen, welche bloß der Eigennutz und die Habsucht anrühmt.
Meine Methode, die keinen jener Mängel an sich hat, welche man allen übrigen bisher üblichen Methoden mit Grunde vorwerfen konnte, ist durch eine lange Erfahrung bewährt; sie stützt sich auf das Zeugniß der geschicktesten Männer in diesem Fache, und auf den Beyfall meiner sehr häufigen Abnehmer.
Das Princip, nach welchem ich arbeite, ist einförmig: es thut die nähmliche Wirkung bey allen Nahrung-Substanzen ohne Ausnahme.
Ein aufgeklärter und menschenfreundlicher Minister, ließ meine Verfahrensart durch eine eigene Commission prüfen, und beehrte mich dann mit Aufmunterungen, die meinen Eifer verdoppeln werden; allein die schmeichelhafteste Belohnung war mir seine Aufforderung, die Methode meines Verfahrens durch den Druck bekannt zu machen, weil meine Entdeckung bey Seereisen, in Krankenspitälern und in jeder Hauswirthschaft vom größten Nutzen seyn könne.”
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“Der Minister vom Innern
an H Appert
Paris, den 30. Januar 1810
Zweyte Abtheilung,
Bureau der Künste und Manufacturen.
Mein Büreau consultatif der Künste und Manufacturen hat mir von der Untersuchung Bericht erstattet, welche es über Ihre Verfahrungsart zur Erhaltung der Früchte, der Gemüse, des Fleisches, der Fleischbrühen, der Milch rc. vorgenommen hat; und nach seinem Berichte kann die Richtigkeit dieser Verfahrensart weiter in keinen Zweifel gezogen werden. Da die Erhaltung der animalischen und vegetabilischen Substanzen bey Seereisen, in den Spitälern und in der Hauswirthschaft, vom
größten Nutzen seyn kann: so habe ich geglaubt, daß Ihre Entdeckung einen besonderen Beweis von der Gewogenheit des Gouvernement verdiente, und habe dem zu Folge den vier von meinem Bureau consultatif gethanen Vorschlag genehmigt, Ihnen eine Aufmunterung von zwölftausend Franken zu bewilligen.
Bey dieser Entschließung hatte ich erstens zur Absicht, Ihnen die Belohnung angedeihen zu lassen, welche den Urhebern nützlicher Erfindungen gebührt; und dann, Sie für die Unkosten zu entschädigen, die Sie aufwenden mußten, theils um Ihre Werkstätten anzulegen, theils um die Experimente anzustellen, welche nöthig waren, die Wirklichkeit Ihrer Erfindung zu bestätigen. Der Chef von der Abtheilung der Comptabilität meines Ministeriums wird Ihnen unverzüglich den Tag bestimmen, an welchem Sie sich beym öffentlichen Schatz melden können, um die zwölftausend Franken in Empfang zu nehmen, welche ich Ihnen bewilliget habe.”
„Es hat mir geschienen, daß es von erheblichem Nutzen wäre, die Kenntniß Ihrer Procedur zur Erhaltung der animalischen und vegetabilischen Substanzen unter das Publicum zu verbreiten. Ich fordere Sie also auf, nach dem von Ihnen selbst gethanen Vorschlag, eine genaue und umständliche „Beschreibung Ihrer Verfahrungsart zu verfassen; diese Beschreibung, welche Sie meinem Büreau consultatif der Künste und Manufacturen zu übergeben haben, wird von demselben untersucht, und dann auf Ihre Kosten gedruckt werden; und Sie haben in der Folge zweyhundert Exemplarien davon an mich abzuliefern.
Da die Ablieferung dieser Exemplarien die einzige Bedingung ist, welche Sie für die Bezahlung der Ihnen bewilligten zwölftausend Franken zu erfüllen haben, so zweifle ich nicht, daß Sie dieselbe ungesäumt in Erfüllung bringen werden.
Ich erwarte, daß Sie mir den Empfang dieses Schreibens anzeigen.
Empfangen Sie die Versicherung meiner ausgezeichneten Achtung
Montalivet.“
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