Omas Jahre

1830 – 1900 Karpfen auf polnische Art

Ich kann in den Kochbücher der Sophie Wilhelmine Scheibler  seit der 8. Auflage im Jahr 1832 (Seite 169) über etliche weitere Ausgaben z.B. 1859 (Seite 251), z.B.  17. Auflage 1866 (Seite 236) oder 36. Auflage im Jahr 1900 (Seite 289) immer wieder dies Rezept finden. Natürlich ist es der wechselnden Schreibweise und Rechtschreibung unterworfen gewesen, aber inhaltlich hat sich nichts geändert und auch heute wird dieses Rezept immer noch in den modernen Nachdrucken ihrer uralten Kochbücher geführt.

Karpfen auf polnische Weise, als Bierkarpfen, bereiten.

Nachdem der Karpfen gestochen und das Blut in Essig aufgefangen ist, wird er geschuppt, gewaschen, auf ein reines Bret gelegt, am Bauche aufgeschlitzt, das Eingeweide behutsam herausgenommen, die Galle davon abgelöst, der Karpfen gespalten und in hübsche Stücke geschnitten (der Kopf wird gespalten, der Schwanz bleibt ungespalten). Dann bedeckt man den Boden einer Casserole mit in Scheiben oder Ringe geschnittenen Zwiebeln, streut etwas gestoßenes englisches Gewürz und Nelken darüber, ordnet den Fisch so darauf, daß die Kopfstücke und die Stücke mit den Rückengräten, die Gräte nach unten gekehrt, zuerst in die Casserole und die übrigen Stücke mit dem Eingeweide und einem Stück Schwarzbrod ohne Rinde oder Pfefferkuchen darübergelegt werden; thut Salz, ein Stückchen Zucker, Citronenscheiben oder auch nur Citronenschale und ein paar Lorbeerblätter daran, gießt ein wenig Essig und soviel Weiß- und Braunbier, jedes zur Hälfte, darüber, daß es über den Fisch steht, und kocht denselben auf starkem Feuer unter öfterem Begießen mit seiner Brühe gar und kurz ein, bewahrt ihn auch durch oft wiederholtes Schütteln der Casserole vor dem Anbreunen. Zuletzt läßt man ein gutes Stück Butter (auf 4 Pfund Fisch etwa 1/4 Pfund Butler) braun werden, vermischt sie in dem Falle, daß die Fischbrühe vom Brode oder Pfefferkuchen nicht seimig genug geworden ist, mit einem Löffel Mehl, gießt sie nebst dem aufgefangenen Blute an den Fisch, kostet die Brühe, ob sie süß, sauer oder salzig genug ist, thut das Fehlende hinzu und läßt den Fisch noch eine kurze Zeit kochen. Die Brühe muß eine schöne braune Farbe haben und so kurz eingekocht sein, daß sie, wenn man sie über den angerichteten Fisch gießt, denselben glänzend maskirt. Man kann, um der Brühe die braune Farbe zu geben, einen Löffel Fliedermuß oder ein wenig Zucker-Jüs während des Kochens an den Fisch thun. — In der Schale gekochte, oder abgeschälte, in Wasser mit Salz abgekochte Kartoffeln werden dazugegeben, auch ist Rothkohl dazu sehr passend.

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  • Herrschaftszeiten, wo kriege ich denn heutzutage noch einen lebenden Karpfen her, dem ich beim Abstechen das Blut entnehmen könnte?
    In meiner Kinderzeit gab es auf den Wochenmärkten allerorts lebenden Fisch zu kaufen (das war damalig das von Hausfrauen einzig anerkannte Frischezertifikat, dass der Fisch vor den Augen des Käufers das Leben aushauchte, dann in mehrere Lagen Blätter der Tageszeitung einwickelt und ausgehändigt wurde). In jenen Tagen war man auch nicht so etepetete wie heute. Was machte da schon etwas Druckerschwärze auf den Schuppen des Karpfens.
    Wobei die eine oder andere Hausfrau sich den Karpfen sehr wohl abschuppen ließ, denn es machte ja eine riesige Sauerei in der häuslichen Küche, wenn bei dieser Arbeit überall die Schuppen umherflogen und anhafteten. Man fand sie noch Jahre später wieder. Wie Konfetti.

    Aber noch einmal: Karpfenblut dürfte heute im Handel Mangelware sein. Es sei denn, man kann direkt bei einem regionalen Binnenfischer den lebenden Fisch erwerben, dort “stechen” lassen und das Blut auffangen oder man ist selbst ein talentierter Angler, der auf Bestellung den richtigen Fisch zur rechten Zeit aus dem Teich zieht und diesen dann zur Ader lässt.

    Dennoch ist das Rezept ein lobenswertes Stück Zeitgeschichte und je länger ich hier “kommentiere”, desto mehr verspüre ich Lust darauf, mir zum Fest einen Karpfen zu holen. Über das Blut muss ich noch etwas sinnieren. Aber der Rest wäre etwas, um meine Weihnachtstage, die unter Corona recht langweilig werden dürften, dann doch abwechslungsreich zu gestalten, vielleicht auch schmackhaft.

    Jetzt habe ich so viel geschrieben, dass ich inzwischen fest überzeugt bin: “Ich mache es!”.

    Eure Jenny

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